Die drei Wunder

von Kristina Pyrlik

Story

„Opa, erzähl uns nochmal von den Mönchen!“, Wilhelms Enkel liebten diese Geschichte so sehr, dass er sie ihnen jeden Abend vor dem Schlafengehen erzählen sollte.

„Also gut.“, sagte er schmunzelt und begann, zu erzählen. „Vor langer Zeit lebten in einem fernen Land einmal drei weise Mönche. Einer von ihnen war blind, ein anderer taub und der Dritte konnte nicht sprechen. Eines Tages kam ein junger Wanderer vorbei, der von der Weisheit der Mönche lernen wollte und ihnen versprach, sie für ihre Dienste reich zu belohnen. Doch die Mönche machten sich nicht viel aus Gold oder Edelsteinen und schlugen dem jungen Mann ein anderes Tauschgeschäft vor.

‚Wenn du es schaffst, bis zum Sonnenaufgang drei Wunder zu vollbringen, dann darfst du unser Lehrling sein.‘

Der Wanderer begab sich zu einem verzauberten See, um den Wassergeist um Hilfe zu bitten.

‚Der Blinde soll wieder sehen können, der Taube wieder hören können und der Stumme wieder sprechen können.‘, sprach der Wassergeist, als der Wanderer ihm von den Mönchen erzählte.

Der junge Wanderer zerbrach sich den ganzen Tag und die ganze Nacht den Kopf darüber, wie er diese Wunder geschehen lassen sollte. Erst als die frühen Morgenstunden anbrachen, kam ihm eine Idee.

Er ging zu den drei Mönchen, die sich wie jeden Morgen bei Sonnenaufgang auf dem Berg versammelt hatten und sprach: ‚Den ganzen Tag und die ganze Nacht lang habe ich versucht, drei Wunder geschehen zu lassen. Doch ich kann keinem Blinden das Augenlicht schenken, keinem Tauben das Hören ermöglichen und auch keinem Stummen eine Stimme geben. Und das ist auch nicht nötig, denn in gewisser Weise sind diese drei Wunder bereits geschehen.‘ Er blickte die Mönche nacheinander an. ‚Du, blinder Mönch, kannst dich auf die Augen der anderen beiden verlassen. Du, tauber Mönch, kannst auf die Ohren deiner Freunde vertrauen. Und du, stummer Mönch, hast gleich zwei Stimmen an deiner Seite, die deine Wahrheit sprechen können. Denn das größte Wunder ist, dass ihr euch gefunden habt und eure Fähigkeiten gemeinsam nutzen könnt.‘

Die Mönche nickten zufrieden und klatschten dreimal in die Hände. Plötzlich konnte der Blinde wieder sehen, der Taube wieder hören und der Stumme wieder sprechen. Erstaunt fragte der Wanderer die Mönche, wie das möglich war und die Mönche antworteten: ‚Wunder offenbaren sich nur dem, der die Weisheit besitzt, daran zu glauben. Und du hast bewiesen, dass du unserer Lehren würdig bist.'“

Seine Enkel schliefen bereits tief und fest, als er am Ende der Geschichte angelangt war. „Versprecht mir, dass ihr niemals aufhört, an Wunder zu glauben.“, flüsterte Wilhelm bevor er das Licht ausschaltete.

© Kristina Pyrlik 2024-06-30

Genres
Romane & Erzählungen
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Inspirierend
Hashtags
Weisheit, Wunder, Geschichten, Mönche