von Andreas Tatowsky
Die Musiker sitzen schon da und Stimmen ihre Instrumente, das Dirigentenpult, die Partitur und der Taktstock liegen bereit und warten darauf in Aktion treten zu dürfen. Ihr Chef kommt etwas später nach. An die hundertzwanzig Sängerinnen und Sänger warten teils nervös, teils gelassen in den Startlöchern auf ihren großen Auftritt. Der große Saal des Wiener Konzerthauses füllt sich gemächlich langsam mit den vielen neugierigen Zuhörern. Es werden etwa an die eintausend sechshundert Interessenten erwartet. Das Gemurmel im Publikum ist deutlich lauter als gedacht, kein Wunder bei der Masse an Menschen, die einander noch dies und das so kurz vor dem Beginn der Aufführung zu sagen haben. Ein kurzer Blick durch den Tür-Spion bestätigt dies auch, bis zum Dach voll, sogar die Balkonplätze sind sehr gut verkauft worden. Ein mehrmaliges Läuten der Klingel ruft die Meute zu Ruhe und auch hinter den Kulissen wird es stiller. Die unzähligen Sängerinnen und Sänger fädeln sich der Reihe nach auf ihre Positionen sind eingenommen, ein letztes Toi-toi-toi vom Dirigenten und ab geht es auf die Bühne.
Auf dem Programm stehen sieben berühmte Opernchöre von Verdi, Wagner, Gounod und Beethoven, dann eine Pause und anschließend dann noch das Mozart Requiem.
Das ist der Plan für Sonntag, um elf Uhr soll das ganze beginnen. Heute Freitag haben wir erst einmal die Probe gemeinsam mit dem Orchester in einem kleinen Saal am Stadtrand von Wien, eine Kuschelprobe auf engstem Raum zum Kennenlernen. Mal sehen…
Kennengelernt haben wir sie, die sechsundfünfzig Musiker des Künstlerorchesters, eine zusammengewürfelte Bande aus der Reservebank aller großen Wiener Orchester, allesamt gute, was sage ich, sehr gute Musiker. Heute, Samstagvormittag ist die Generalprobe, ein Durchlauf des gesamten Repertoires, mit Solisten und allen was Rang und Namen hat. Hundert fünfunddreißig Sänger, sechsundfünfzig Musiker, vier Solisten und ein Dirigent, gegen tausendsechshundert Zuhörer, das wird ein tolles Match. Mal sehen, wer gewinnt…
Die Einser Paniere, wie wir unsere „Uniform“ liebevoll nennen, muss noch hergerichtet werden. Ein silberfarbener Smoking mit schwarzem Aufschlag und gleichfarbiger Masche, weißes Hemd und schwarze Hose. Dafür haben wir uns den Abend reserviert und ja wir, denn meine Göttin singt auch mit, im Sopran, ich bin der dritte Tenor von links in der zweiten Reihe, ich werde auch winken. Die Einser Paniere bleibt aber nur den Männern unseres Chores als Markenzeichen vorbehalten.
Es ist gelaufen wie es geplant war, ein großartiges Konzert. Keine merklichen Fehler sind uns gelungen, die Fugen des Herrn Mozart getreu seiner Weisung präzise abgespult, die Opernchöre ebenso. Einfach toll, ein schönes Gefühl dem Publikum auch einiges an Applaus abgerungen zu haben.
Alles stimmig, außer: Das eingangs erwähnte Toi-toi-toi vom Dirigenten fehlte, das ließ sogar die Einser Paniere etwas faltig und geknickt aussehen.
© Andreas Tatowsky 2022-11-20