von Malte Leyhausen
Als ich das erste Mal etwas von Hüsch gehört habe, war ich ungefähr sechzehn und er ungefähr 59. Ich stand am Anfang meines Lebens und er konnte schon auf eine über vierzigjährige Bühnenkarriere zurückblicken. Das Doppelalbum „Das schwarze Schaf vom Niederrhein“ fand den Weg in den Musikunterricht meines niederrheinischen Gymnasiums. „Der Niederrheiner weiß nichts, kann aber alles erklären. Umgekehrt, wenn man ihm etwas erklärt, versteht er nichts. Sagt aber dauernd: Ist doch logisch!“ Der große Sendesaal des WDR bog sich vor Lachen, das aus den Schullautsprechern perlte.
Ich war schockverliebt. Das satirische Psychogramm meiner Landsleute traf dermaßen ins Schwarze, dass ich als Pubertier Hüsch wie einen neuen Kontinent entdeckte. Das Album mit dem schwarzen Schaf im Hintergrund und dem handgezeichneten Hüsch im Vordergrund wurde sofort angeschafft. Ich musste zwar erst sechzehn werden, um dieses Neuland zu betreten, aber den Illustrator des Covers kannte ich schon länger. Jürgen „Moses“ Pankarz zählte zu den Freunden meines Vater und vor allem zu den engsten Vertrauten von Hüsch. Heute finden Sie in jeder Buchhandlung die black stories und jede Menge Verspieltes des moses. Verlags, den der Grafiker einst gründete. Aber eins nach dem anderen. Das geht hier ja zu wie Kraut und Rüben, eine echte Niederrheingeschichte eben. Ich erkundete die Kabarettlandschaft des Manns aus Moers, der damals längst in Mainz lebte und fast jeden Abend auf einer anderen Bühne an seiner Orgel saß, wenn er nicht im Radio „Die Unterhaltung am Wochenende“ moderierte oder im Fernsehen Dick und Doof seine sonore Stimme lieh.
Schnell stand für mich fest, so etwas möchte ich auch machen. Ich gründete im Studium ein Studentenkabarett und besuchte viele seiner Programme. Tatsächlich trat ich in seine Fußstapfen und wurde ein paar Jahre Kabarettprofi. Nach einem seiner Auftritte im Düsseldorfer Kom(m)ödchen nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach ihn an. Er erinnerte sich sogar an den Brief und den Kabarett-Text, den ich ihm geschickt hatte. Eine Weile bildete ich mir ein, dass mein aufdringliches Schreiben ihn zu einer Nummer über aufdringliche Fan-Briefe inspiriert hatte, so nach dem Motto, ich will Ihre kostbare Zeit nicht beanspruchen und Sie brauchen mir nicht antworten und zehn Seiten später: Meine neue Adresse lautet …
Die letzte und berührendste Hüsch Veranstaltung bildete seine Beerdigung im Jahr 2005 in seiner Heimatstadt Moers. Es versammelte sich das Who is Who des deutschen Kabaretts. Der Schweizer Schriftsteller und Satiriker Franz Hohler brachte mit der Interpretation von Hüschs „Wiegenlied für Mütter“ nicht nur sein Cello zum Weinen. Kurz zuvor hatte Harald Schmidt seinem Sitznachbarn Richard Rogler in der randvollen Kirche noch komische Dinge zugeflüstert, die den Kollegen vor unterdrücktem Lachen rot werden ließen. Eigentlich sollte für die Öffentlichkeit an der Friedhofsmauer Schluss sein und nur ein kleiner Kreis der Beisetzung beiwohnen. Der Andrang war wohl etwas geringer als gedacht und der Bestatter winkte mich durch. Und wer begrüßte mich am Grab? Moses …
© Malte Leyhausen 2024-11-21