von Roman Scamoni
Die Europa Orient Rallye ist mehr als ein Event für Automobilisten und Rallyefans – sie ist eine Reise zu sich selbst. Im Jahr 2023 führte die Strecke von Schengen, dem Symbol für offene Grenzen, über Paris, Bordeaux und die Pyrenäen, durch ganz Spanien über die Straße von Gibraltar nach Marokko und bis an den Rand der Sahara, mit Marrakesch als Ziel. Klingt glamourös? Nicht so schnell! Die Regeln der Rallye sorgen dafür, dass man die Dinge von einer ganz anderen Seite erlebt.
Die Fahrzeuge? Nicht neuer als 20 Jahre, maximal 999 Euro wert. Autobahnen? Tabu. Navigationsgeräte waren zwar dieses erstmals Jahr erlaubt, aber bei der Komplexität mancher Landstraßen halfen sie nur bedingt. Luxuriöse Übernachtungen? Fehlanzeige – die Kosten durften im Durchschnitt nicht mehr als 10 Euro pro Nacht betragen. Das bedeutete viele Nächte im Auto oder Zelt – nur gelegentlich gab es das kleine Luxus-Highlight eines Campingplatzes oder sogar eines Hotels mit Dusche.
Die Route war spektakulär, aber keineswegs einfach. Nach den sanften Weinhügeln Bordeauxs mit einem Boxenstopp in einem Weingut samt landestypischer Weinverkostung warteten die Pyrenäen mit engen, kurvigen Straßen. Die Fahrt durch Spanien bot atemberaubende Landschaften und endlose Landstraßen, die sich ins Unendliche zu erstrecken schienen. Doch der wahre Kulturschock wartete in Marokko: Der chaotische Verkehr in Städten wie Fès oder Tanger, die atemberaubende Stille der Wüste, die Farben und Düfte der Medians – jeder Tag war eine neue Herausforderung, aber auch eine neue Chance, über sich hinauszuwachsen.
Genau darum geht es bei der Europa Orient Rallye: Grenzen zu überwinden, im wörtlichen und im übertragenen Sinne. Nicht alles lief perfekt – Pannen, Navigationsfehler und improvisierte Übernachtungen waren an der Tagesordnung. Aber in diesen Momenten zeigte sich, was die Rallye wirklich ausmacht: Teamgeist, Humor und der Wille, das Unmögliche möglich zu machen. Abends im Fahrerlager am Lagerfeuer lernte man die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen kennen, tauschte Geschichten aus, erzählte, was man während des Tages gesehen und erlebt hatte.
Abenteuer und Teamgeist sind hier nicht nur Schlagworte, sondern werden gelebte Realität. Die Regeln und Bedingungen der Rallye lassen keinen Platz für Komfortzonen – selbst, wenn man diese hie und da etwas kreativ interpretiert. Man lernt, dass der Weg nicht perfekt sein muss, um ans Ziel zu kommen. Es geht darum, gemeinsam die Herausforderungen zu meistern und trotz aller Widrigkeiten weiterzumachen – ob mit wackeligen Autos, improvisierten Schlafplätzen oder ungeplanten Umwegen.
Am Ende stand nicht nur die Erfüllung eines Traums, sondern auch eine wertvolle Erkenntnis: Inklusion über Grenzen hinweg ist wie die Rallye selbst. Es geht nicht darum, dass alles reibungslos funktioniert. Es geht darum, dass wir trotz Hindernissen gemeinsam weiterfahren – mit Mut, Kreativität und einer gehörigen Portion Verrücktheit.
„Mein“ Rallyeabenteuer beginnt mit dem nächsten Kapitel. Anschnallen und viel Spaß!
© Roman Scamoni 2024-12-09