Die Geburt des göttlichen Kindes (1 / 4)

Hanspeter Gautschin

von Hanspeter Gautschin

Story

Ich möchte heute eine etwas wunderliche Weihnachtsgeschichte niederschreiben, die mir mein Großvater aus der Hinteren Gasse vor Jahrzehnten erzĂ€hlt hat.

Ich bin damals, so ich mich richtig entsinne, höchstens 6jĂ€hrig gewesen und ich habe gerne Geschichten, wie ĂŒbrigens die meisten Kinder, gelauscht. Vor allem Geschichten, die sich in dunklen, frĂŒheren Zeiten abgespielt haben.

Ich habe sonst nicht viele Erinnerungen an diesen Großvater vĂ€terlicherseits. Gut, er hatte ja auch eine stolze Anzahl Großkinder. Nicht nur mich. Ich kann mich deshalb nur an diese eine Geschichte erinnern. Und dass er mir die Uhrzeit gelehrt hat.

Doch zurĂŒck zu dieser Weihnachtsgeschichte. Sie spielt sich im sog. Hochmittelalter, so ums 12. Jahrhundert, ab. Also zu einer Zeit, wo sich das Christentum auch im Waldenburgertal bereits etabliert hat. Die Kirche zu St. Peter, wohl um ca. 1100 erbaut, spielt nĂ€mlich in dieser ErzĂ€hlung auch eine Rolle.

Hier also die Geschichte, die mir mein Großvater vor 60 Jahren erzĂ€hlte:

Im damaligen Onoldswil, die heutigen Dörfer Niederdorf und Oberdorf sowie auch Waldenburg gehörten dazu, lebten auf verstreuten Höfen einige Bauern, die sich der Leibeigenschaft entledigen konnten. Doch im Gebiet der heutigen Hinteren Gasse fristeten Leibeigene ihr tristes Dasein. Die Frenke mĂ€anderte bis in die spĂ€rlich Schutz bietenden HĂŒtten dieser Leute. Ratten und weiteres Ungetier machten es den dort hausenden Bewohnern noch schwerer.

Die KleinhĂ€usler hatten ein entbehrungsreiches, mĂŒhseliges Leben. Sie verdingten sich bei den Bauern um einen kargen Lohn, der selten ausreichte, um die kinderreichen Familien zu ernĂ€hren.

Doch etwas einte diese Menschen: Ihr alter Glaube an Götter und Magie. Sie verehrten, natĂŒrlich nur im Versteckten, ihre höchste Gottheit Wuodan (Wotan) nebst weiteren Gottheiten wie auch Naturgeistern. Ganz im Gegensatz zu den freien Bauern auf ihren Höfen. Diese huldigten schon lĂ€ngere Zeit dem Christentum. Wohl auch als BĂŒckling ans Bistum Basel und spĂ€ter an die Frohburger.

Es war wieder einmal Winter und es lag viel Schnee. Klirrend kalt war es dazu auch noch. Anders als die Jahre zuvor, die geprĂ€gt von milden Wintern gewesen waren. Die KleinhĂ€usler in der Hinteren Gasse freute das nicht, denn sie konnten ihre HĂŒtten nur schlecht heizen und so geschah es, dass die meisten KleinhĂ€usler an einem seltsamen Fieber erkrankten. Ihre Gesichter wurden wĂ€chsern und das Atmen fiel ihnen schwer. Das Fieber raffte vor allem Kinder dahin. Es war ein grosses Wehklagen in der Hinteren Gasse.

Als das Fieber immer schlimmer wĂŒtete, beriefen die Ältesten einen Rat ein. Doch auch der Rat fand keine gangbare Lösung. Da trat Aribald in die Mitte der Runde. Er, ein Mittdreißiger, zeigte immer wieder FĂŒhrungsqualitĂ€ten. Die KleinhĂ€usler schĂ€tzten ihn, weil er sich stets fĂŒr sie einsetzte. Bei der Obrigkeit wie auch bei den freien Bauern.

© Hanspeter Gautschin 2022-12-30

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