von KitKat
Zufrieden steige ich in den Nachtbus von Hampi nach Gokarna. Mein Bett ist ganz hinten im Bus und ich mache es mir so gemütlich, wie es in einem wackeligen Nachtbusbett eben geht. Ich weiß gar nicht, wie lange die Fahrt sein wird, da ich mich mal wieder nicht genau informiert habe. Nach einiger Zeit schaffe ich es endlich, trotz schnarchender Mitfahrer einzuschlafen. Mitten in der Nacht halten wir auf einmal an. „Ein Zwischenstopp?“, frage ich mich. „Gokarna, Gokarna“, ruft der Busfahrer. „Wir sind schon da? Das kann doch gar nicht sein, es ist gerade mal 3 Uhr!“, denke ich, doch habe keine andere Wahl, als schnell meine Sachen zusammenzusammeln und aus dem Bus zu springen. Unerwarteterweise war die Fahrt kürzer als gedacht. Ich stehe an einer Tankstelle an einer Kreuzung und frage mich, was ich hier mache. Glücklicherweise finde ich einen Rikschafahrer, der mich zumindest in den Ort bringen kann. Hier stehe ich im heiligen Zentrum Gokarnas und kann weit und breit kein Hostel entdecken. Zum Glück bin ich solche Situationen gewohnt und beschließe, auf den Sonnenaufgang zu warten, um mich danach besser zurechtfinden zu können. Eine Stunde vergeht. Mein Handyakku neigt sich dem Ende zu. Noch eine Stunde. Die Zeit zieht sich wie Kaugummi. Mein Handy geht aus. So langsam fängt die Stadt an, aufzuwachen und ab und zu kommt jemand auf seinem Gang zum Tempel vorbei und schaut mich verwundert an. Ich lächele und begrüße die ersten frühmorgendlichen Spaziergänger mit ‘Namaste’. Ich fühle mich den Umständen entsprechend wohl, bis ich eine Männergruppe bemerke, die immer wieder vorbeikommt und kurz neben mir stehen bleibt, um dann wieder weiterzuziehen. Als sie das dritte Mal wiederkommen, bekomme ich ein mulmiges Gefühl. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich etwas ändern muss und nicht so hier sitzen bleiben kann. Nach einigem Überlegen fällt mir ein, dass die Kühe Indiens heilig sind. Und niemand würde etwas Böses vor den Augen einer heiligen Kuh wagen, oder? Ich beschließe also, dass ich mich zu einer Kuh setzen muss und werde auch sehr schnell fündig. Die Kuh sitzt gemütlich an eine Mauer gelehnt und döst vor sich hin. Als ich dabei bin, mich zu ihr zu setzen, schaut sie mich an und ich erkläre ihr, dass ich jemanden brauche, der mich beschützt. Sie entspannt sich und schließt wieder die Augen. Tatsächlich kommen kurz darauf die drei Männer zurück, bleiben wieder stehen und schauen mich an. Doch sie haben nicht mit der Kuh gerechnet. Denn diese springt unvermittelt auf und stellt sich zwischen uns. Die Männer treten erschrocken einen Schritt zurück, doch schauen mich weiterhin an. Ich traue meinen Augen und Ohren kaum, als die Kuh sie auf einmal anschreit. Da drehen sie sich um, verschwinden und kommen nicht mehr zurück. Meine Beschützerin bleibt noch etwas neben mir stehen und klopft dann mit ihrer Schnauze an einer Tür, wo sie ihr Frühstück bekommt. Und nach all diesen Stunden, geht die Sonne über Gokarna auf.
© KitKat 2021-04-02