von Kamélia Bancsov
Ich komme aus einem kleinen Dorf namens „Skorenowatz“. Es wurde im Jahr 1887 zur Regierungszeit von Franz Joseph gegründet. Das Dorf wurde die Heimat von unterschiedlichen Minderheiten, die aus heutigen Ungarn und Rumänien (Bukowina) immigrierten. Das heutige Nordserbien (Wojwodina) gehörte damals dem Königreich Ungarn und später wurde es dann Teil der Doppelmonarchie. Ungarn, Szekler (Ungarn mit besonderem Dialekt), Deutsche und auch Bulgaren lebten alle in einer Siedlung. Die bulgarische Minderheit (Banater Bulgaren) aus Rumänien, hat auch eine interessante Geschichte. Sie flüchteten vor den Osmanen am Anfang des 18. Jahrhunderts nach Rumänien. Einige von ihnen siedelten sich am Ende des 19. Jahrhundert in Szekelykeve (Skorenowatz) an. Die Geschichte meines Dorfes ist bunt. Sprachen und Dialekte vermischten sich und kämpften miteinander. Heute sprechen die meisten BewohnerInnen den Szekler Dialekt, der allerdings durch serbische und deutsche Neologismen bereichert wurde.
Als ich bereits Geschichte an der Uni Wien studierte, habe ich eine interessante Doku gesehen. Die Professorin zeigte einen älteren Film, der aus der Sicht von Afrikaner die österreichische Kultur darstellt. Es ist eine witzige und lehrreiche Doku, über die Sitten und Bräuche von ÖsterreicherInnen. In diesem Film wurde auch der sog. „Huhntanz“ präsentiert, welche typisch für die österreichische Kultur sein soll. Ich konnte es nicht glauben, diesen Tanz kannte ich aus meiner Heimat. Wir nennen es nur „Ententanz“. Es ist auch Teil der Tradition der altungarischen Kultur, die mein Dorf bis heute pflegt. Diese Tänze sind ein Bestandteil jeder Hochzeit.
Meine Großväter waren beide Banater Bulgaren. Während die Mutter meines Vaters eine Serbin ist, ist die Mutter meiner Mama Ungarin, aber keine Szeklerin. Beide Familien fühlten sich nicht so wohl im Dorf, da Szekler die Mehrheit der Bevölkerung ausmachten. Die kulturelle Diversität schien auf diesem kleinen Gebiet Probleme zu bereiten. Meine Omas hatten es besonders schwer, weil sie einen Bulgaren heirateten. Es war sowohl für die Serbinnen als auch für Ungarinnen damals verboten Männer einer anderen Nation zu heiraten. Aber die Liebe hat gesiegt. Meine Großmütter mussten gegen Konventionen und ihre eigenen Familien kämpfen. Ich habe diese Tatsache oft vergessen, dass die Familien meiner Eltern es nicht leicht hatten. Als ich im Jahr 1995 auf die Welt kam und der Bosnienkrieg beendet wurde haben sich die Menschen im Dorf verändert. Sie hielten mehr zusammen und die Diskriminierungen verschwanden fast völlig. Erst diese kollektive Tragödie machte aus diesem Dorf eine harmonische Siedlung.
© Kamélia Bancsov 2021-08-09