Die kleine Philosophie des Perfektionismus

Hanna_Soleila

von Hanna_Soleila

Story

Sind diejenigen, die danach streben, perfekt zu sein, in ihren Handlungen gelähmt, da sie Angst haben, etwas zu vollenden?

Wie will man mit einer perfektionistischen Ader etwas erledigen, was für einen von Bedeutung ist, wie zum Beispiel im Studium ein Referat abzuschließen, um dieses zu halten, eine Hausarbeit abzugeben oder ein Bild bzw. einen Text fertig zu stellen?

Was macht es mit einem, wenn man latent das Gefühl hat, alles richtig machen zu müssen? Wie geht man mit dem Druck um, wenn man seine Erwartungen an sich zu hoch ansetzt, sodass die Latte, über die man springen muss, so weit oben liegt, dass sie beim Sprung nur mitgerissen werden kann, was bedeutet, dass man ins Straucheln gerät und umfällt? Wie bringt man trotzdem den Mut auf, zu springen oder gibt man von Vornherein auf und lässt es bleiben? Und wie gelingt es einem, wenn man springt und fällt, wieder aufzustehen?

Was ist, wenn man beim ersten Versuch von etwas (Neuem) scheitert? Traut man sich dann überhaupt einen zweiten zu?

Wie schafft man es, mit etwas zufrieden zu sein, wenn man stets nur das beste Ergebnis erreichen möchte?

Menschen sind unfertige Wesen. Es kann nicht schaden, sein Bestes geben zu wollen, aber man sollte auch mal fünf gerade sein lassen können. Mit sich selbst im Reinen zu sein, zählt mehr, als alles perfekt zu machen. Eigentlich.

Denn in einer Gesellschaft, in der man immer mehr und immer schneller das Beste erzielen soll, ist es schwierig, jemals glücklich über etwas zu sein. Man soll pünktlich, aufnahmefähig, präsent sein und sich zu Bestleistungen motivieren. Macht man einen Fehler, droht die Kündigung. Es ist klar, dass man austauschbar ist, vor allem im Job, aber eventuell auch in seinem Privatleben. Trotzdem soll man nebenbei auch noch ein Lächeln auf den Lippen haben. Was macht dieser Druck mit einem, den gesellschaftlichen Erwartungen standhalten zu können?

Was ist, wenn man seinen Job verliert, gekündigt wird? Findet man einen neuen oder rutscht man in die Arbeitslosigkeit ab? Was, wenn man eine psychische Erkrankung hat? Muss man dann für immer in einer Werkstatt arbeiten oder hat man auch auf dem normalen Arbeitsmarkt eine Chance?

Das Leben ist schwierig. Es zu meistern, ist wichtig, da man sonst untergeht. Dabei kann es sicherlich auch nicht schaden, sich etwas an den Besten zu orientieren und sich zu bemühen, gut zu sein. Dennoch sollte man nicht zu perfekt sein wollen, sondern einfach man selbst sein. In diesen Zeiten authentisch zu sein, erfordert viel Kraft und Mut, aber es war noch nie so bedeutungsvoll wie jetzt. Authentizität ist das, was einen als Arbeitnehmer, Freund und Vorbild für seine Kinder unersetzbar macht. Es ist ein kraftvoller, mächtiger Akt, der einen zu etwas Besonderem macht.

© Hanna_Soleila 2024-07-20

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