von lavoce
Man sollte meinen, dass der Mensch im Laufe der Jahre gescheiter wird. Wird er nicht.
Unlängst bei uns zu Hause:
Es läutete. An der Wohnungstür. Und ich dachte mir: Da war doch was? In dem Moment befand sich meine Hand bereits auf der Türklinke, drückte sanft nach unten und … jäh fiel mir wieder ein, was ich NIE mehr tun wollte. Denn wer stand vor selbiger? Eine Vertreterin der Zeugen Jehovas? Eine Tischtuchverkäuferin? Ein Leseabo-Verscherbler? Nein. Auch keine Tierschutzaktivistin. Es war ein etwas mürrisch dreinblickender, junger Mann mit langen Haaren. Ich musterte ihn und meinte nicht unbedingt freundlich: „Jaaa? Hallo …“ Mein Gesichtsausdruck wurde noch ein wenig eisiger. Falls das überhaupt möglich war.
Doch da, genau in diesem Moment, entdeckte ich es. In seiner Hand. Wie hatte ich das übersehen können? Es leuchtete mir braun entgegen. Ein Packerl. Mein Packerl. Wie auf Kommando strahlte ich von einem Ohr zum anderen. Der Jungspund las inzwischen stockend mit französischem Akzent meinen Namen von der Schachtel. Und ich antwortete voller Freude: „Ja, das bin ich.“ Er tippte auf die Anschrift und meinte: „Das nächste Male bitteee mit Türenummeeer.“
Und dann geschah es. Die Verwandlung. Von einem Moment auf den anderen grinste er mich an. Mit funkelnden Augen, spitzbübisch, bezaubernd, entwaffnend. Beinahe magisch. Ich war fasziniert. Wie ein Lächeln einen Menschen verändern konnte. Hätte er mich von Anfang an derart angelächelt, hätte ich ihn vermutlich noch hereingebeten. Und weil ich die ganze Situation derart lustig fand, musste auch ich wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen beginnen. Und da standen wir zwei Verrückten und konnten nicht aufhören zu strahlen. Was ein Lächeln bewirken kann. Es kann dir nicht nur den Tag retten, sondern auch sämtliche Vorurteile, die du eigentlich gar nicht hattest, über einen Haufen werfen.
Was für eine großartige Erfindung diese kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen!
© lavoce 2021-08-24