Die Marionette des Narzissten

Die Geschichten, die unser Leben prägen, fangen mit einem: „Es war einmal“ an und enden mit „Sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“. Dazwischen etwas Drama und Leid, aber zum Schluss das Happy End. Doch der Text, zwischen den Zeilen, der Text, den keiner sieht, diese kleinen Lücken zwischen den Buchstaben, die wir vor der Außenwelt verbergen, genau die, schreiben meine Geschichte. Deine Geschichte. Die Geschichte, eines jeden Individuum auf unserer Erde. Ich habe lange den Anfang gesucht. Meine Buchseiten durchgeblättert und genau die Stelle gesucht, an dem bei mir alles aus dem Ruder lief. Dieser eine Punkt, an dem ich die Kontrolle verlor.

In Ermangelung einer besseren Analogie, muss ich dies nun sehr unfein ausdrücken, aber nichts bringt es besser auf den Punkt. Und wir sind doch alle schon erwachsen, also kann ich dies nur mit Nachdruck sagen: Ich springe sehr gerne mit einem theatralischen Anlauf, bei dem ich dreimal über meine eigenen Beine stolpere, mit einem ungebremsten Kopfsprung in die Kacke. Und das meistens nicht nur einmal, sondern natürlich auch öfter. Habe ich aufgezeigt, wenn es darum ging Lernaufgaben, die mir das Universum vor die Beine warf zu meistern? Aber natürlich! Habe ich gewunken, wenn es hieß, das könnte dir Kopf und Kragen kosten, wenn du so stur weiter deinen Weg gehst? Hallo? Natürlich! Habe ich etwas daraus gelernt? Nach einigen Jahrzehnten, ja! Habe ich mir etwas sagen lassen? Mich beraten lassen? Mir Tipps geben lassen?

Selbstverständlich. Und wie gerne ich zugehört habe und mir gedacht habe, ja, aber ihr könnt das doch gar nicht wissen. Ihr seid ja nicht in meiner Lage. Versteht ihr mich eigentlich? Und das Gemeinste an der ganzen Geschichte? Ich wusste, sie hatten alle recht. Manche mehr, manche weniger. Aber ich musste meinen Weg selber beschreiten. Meine Lernaufgaben abarbeiten. Und ich spreche hier bewusst nicht von Fehlern. Weil jeder einzelne Schritt, den ich gegangen bin, hat mich zu dem Menschen geformt, der jetzt hier sitzt und versucht, euch die Geschichte eines kleinen rothaarigen Mädchens näherzubringen, die vom Rebell zur Marionette wurde, um dann endlich frei zu sein. Erinnert vielleicht etwas an Pinocchio, und wenn ich früher schon den Wissensstand von heute gehabt hätte, wäre mir sehr schnell klar geworden, dass dies keine liebe Kindergeschichte war, sondern die nackte Realität dessen, was sich da draußen in der Welt abspielt. Jeder von uns möchte gerne selbstbestimmt leben, frei von Fäden und Ketten, die uns steuern, doch diese eine wahre Freiheit erhalten wir nur, wenn wir uns kennenlernen und akzeptieren. Mit all unseren Ecken und Kanten. Mit unseren Höhen und Tiefen.

Weil seien wir uns mal ehrlich? Wie sieht ein Diamant in seiner Ursprungsform aus? Wie lange muss er geschliffen werden, bevor er glänzt und strahlt? All dies erreichen wir nur, in dem wir tief in uns blicken und uns selber den Spiegel vor das Gesicht halten.

Also fangen wir an.