von NinaNo
Das Hauptargument wie ich M. zu einem Wanderurlaub in Österreich überreden konnte, war die zahme Murmeltierkolonie am Großglockner. In der Vorfreude ein Murmeltier zu füttern oder gar zu streicheln, schleppten wir Unmengen an Walnüssen und Karotten aus Wien mit.
Aufgrund von Zeitnot wurden die Karotten im Supermarkt und nicht wie üblich, frisch am Markt gekauft. Bereits an Tag zwei schimmelten die Karotten in dem Plastiksackerl vor sich hin. M. war davon wenig beeindruckt und wollte die Karotten trotz Schimmel den Murmeltieren zum Fraß vorwerfen. Ich bat ihn, zumindest die kaputten Stellen auszuputzen, aber mehr wie ein „jaja“, dessen Bedeutung bekannt ist, erwiderte er nicht.
Laut diversen Touristeninformationen befinden sich zahlreiche Murmeltiere direkt auf der Franz-Josefs-Höhe. Dort angekommen war weit und breit keine Spur von einem Mankai. Ab und an, war ein spitzer Pfiff aus der Ferne zu hören, aber in unserer Nähe ließ sich Keines blicken.
Suchend wanderte mein Blick über die Almwiesen, bis eine Menschentraube an einem Wegrand meine Aufmerksamkeit erregte. Langsam näherte ich mich und sah tatsächlich ein Murmeltier in einem Abstand von etwa drei Metern. Ungeduldig fuchtelten die Touristen mit Karotten, aber das Murmeltier war davon nicht wirklich angetan und blieb ruhig sitzen.
Die Ansammlung wurde immer weniger und ich begann genüsslich an den Walnüssen aus meinen Taschen zu knabbern. M. jammerte bereits neben mir, dass das Murmeltier endlich herkommen soll und wieso im Internet steht, dass die zahm sind und sich jetzt keinen Zentimeter in unsere Richtung bewegen.
Unbeirrt aß ich meine Nüssen weiter. Plötzlich rannte das Mankai in einer Geschwindigkeit zu mir, die M. so überraschte, dass er davon nicht einmal ein Foto machen konnte und das ist nicht oft der Fall. Schnurstracks lief das Murmeltier auf mich zu und legte seine Pfote auf meine ausgestreckte Hand, auf der schon eine Nuss bereit lag. M. fotografierte fleißig, bis ich mich zurücknahm und ihm auch ein paar Nüsse gab.
Für die zweite Begegnung haben wir den rutschigen Murmeltierweg auf uns genommen. Wieder war Geduld gefragt: Eine Schulklasse mit plärrenden Kindern, die Karotten in die Ein- und Ausgänge der Murmeltierbauten stopften, vertrieben jegliches Lebewesen weit und breit. So hieß es ausharren bis die Kinder außer Hör- und Sichtweite waren.
Als M. und ich alleine auf der Almwiese waren wurden wir für unsere Ausdauer belohnt. Zwei putzige Murmeltiere ließen sich ausgiebig von uns streicheln und füttern. Ein besonders freches Mankai stützte sich auf mein Knie, um gemütlich fressen zu können. Die scharfen Schneidezähne waren nicht einmal annähernd an meiner Hand zu spüren. Vorsichtig nahm sich das Murmeltier jede Nuss einzeln und stützte sich dabei an meinem Knie ab, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
Manchmal braucht es für den perfekten Moment nicht mehr als ein bisschen Geduld und ein paar Nüsse.
© NinaNo 2020-07-23