von Erdmann Kühn
Kanufahren auf der Dordogne – das kenne ich. Auch die 26 km zwischen Argentat und Beaulieu. Aber alleine mit einem Kajak – das ist neu für mich. Es ist so ein Boot mit Löchern, wo man wie in der Badewanne die ganze Zeit in der Suppe hängt. Mit dem Doppelpaddel schaufelt man sich noch zusätzlich rechts und links Wasser ins Boot. Zumindest als Kajak-Neuling. Die harte Plastikkante am Rücken nervt, sodass ich erst einmal die Schwimmweste als Polster in den Rücken stopfe. Das hat zur Folge, dass ich mehr liege als sitze, wie auf einem Liegefahrrad. Sieht wahrscheinlich toll aus, ist aber für die Kraftübertragung in den Armen nicht optimal. Da kommt auch schon die Stelle, vor der wir bei der Kurzeinführung gewarnt wurden: Rechts geht es steil runter zu den Felsen, bitte links halten!
Das Wasser ist, wie immer vor Stromschnellen, glatt und ruhig. Trügerisch ruhig. So ruhig und entspannt liegend will ich von der Flussmitte nach links rüberziehen, dass ich zu spät merke, dass ich nach rechts gezogen werde, schneller, als ich fluchen und reagieren kann. Jäh schrecke ich hoch und paddele mit aller Kraft gegen den Sog an. Mit dem Erfolg, dass ich rückwärts die Stromschnellen hinunter und zu den Felsen hinüberrausche. Zum Glück sehe ich davon nichts, weil ich ja nach hinten schaue und denke: Jetzt einfach nichts mehr machen, nur hoffen, dass es gut geht! Ein Gefühl wie Achterbahn rückwärts.
Als ich die Augen wieder öffne, starrt mich eine Gruppe Paddler mit Helmen und Seil an, die gerade am Felsenufer lernen, wie man diese schwierigen Stromschnellen mit der richtigen Technik und Ausrüstung bewältigen kann. Da kann ich ihnen wohl ein leuchtendes Beispiel geben. Der Lehrer schreit mir irgendetwas hinterher, das ich zum Glück nicht verstehe. Vielleicht: Du Schwachkopf, bist du lebensmüde? Oder: Wieder mal mehr Glück als Verstand gehabt! Vielleicht will er auch nur darauf hinweisen, dass man die Sicherheitsweste nicht als Rückenpolster missbrauchen soll, wenn man rückwärts Wasserfälle hinunterfahren will.
Danach wird es dann ruhiger. Ich muss zwar noch einmal in Stromschnellen aussteigen, weil mein Liegekanu vor einem Felsen festklemmt. Als ich draußen bin, wird es sofort wieder beweglich. So beweglich, dass ich mich nur noch daran festklammern kann, während wir auf diese Weise die Stromschnellen bewältigen. Am Abend spüre ich jeden einzelnen Muskel und bin sehr froh, heil wieder angekommen zu sein an meinem Campingplatz an der alten Mühle. Hier kann ich mir einen schönen Kaffee kochen, tief durchatmen, mich an den Fluss setzen, zuhören, was er mir zu erzählen h at und tiefenentspannt in das wilde Wasser der Dordogne schauen. Stromschnellen sind eine tolle Sache, besonders vom Ufer aus. Sie rauschen so beruhigend.
© Erdmann Kühn 2021-01-22