von Brigitte Hieber
Mein Versuch, als Autorin mit meiner Hauptfigur ins Gespräch zu kommen, also eigentlich, die Idee für eine Geschichte zu finden, verlief im Sande, also eher in den Wolken …
Du willst wissen, ob ich, Wolkenschieberin, ein Roman werden will? Ist das etwas Barockes? Üppig bin ich schon. Ob ich die Hauptfigur werden will? Zusammen mit Windwindwind? Meine Geschichte erzählen, wo ich geboren und aufgewachsen bin? Aber ich habe schon immer Wolken geschoben, seit ich denken kann. Ob ich Beziehungen habe? Solche wie zu Windwindwind? Windwindwind ist eine Beziehung? Na ja, die Wolken freuen sich, wenn wir kommen und sie schichten und türmen, sie erzählen mir ihre Geschichten: Woher sie kommen, was sie fühlen, wie es ihnen geht, ob sie dünn oder dick sein wollen heute, oder grau oder weiß, ob sie lang gezogen oder gehäuft werden wollen, wie sie heißen … Was ist überhaupt ein Roman? Zusammengeschobene Wörter? Oh! Satz für Satz, sagst du, Seite für Seite, und es gibt Leser, die Seite für Seite umblättern, weil sie wissen wollen, was am Ende steht? Wozu brauchen sie ein Ende? Nein, ich schiebe ja ununterbrochen. Können wir einen ununterbrochenen Roman machen? Jeden Tag ein paar Wörter zu Sätzen und Sätze zu Seiten zusammenschieben und dann gucken, was passiert. Du willst eine Handlung? Was ist das? Die Leser wollen das? Und wer sind überhaupt die Leser? Das weißt du noch nicht? Warum willst du dann einen Roman schreiben? Also, jetzt übernehme ich mal das Kommando, wir drehen uns ja im Kreis, das ist beim Wolkenschieben ganz schön, da entsteht ein Turm … Soso, Geschichten willst du von mir, wie die aus Bayern? Also, da war dieser eine Tag, als Windwindwind krank war und ich schieben und schieben musste, dann kam plötzlich die freche Bö und hat mir meine Türme kaputt gemacht … Interessiert das diese noch unbekannten Leser? Ja, auch mein Auftürmen wird selten als eigene Kunstform betrachtet. Du meinst, wir müssen die Geschichten spannend machen? Was ist spannend? So, dass die Leser weiter und weiter lesen wollen? Toll! So, wie ich meine Wolken weiter und weiter schiebe? Sollen wir jetzt so weiterreden? Ist sozusagen spannend. Wie bitte? Ein Spannungsbogen? Wow! Das ist nicht mein Job. Ich schiebe Wolken. Das sage ich doch von Anfang an. Jetzt willst du einen ersten Satz? Also, es waren einmal … Na klar, Windwindwind und ich. Jetzt habe ich mich verliebt. Na, in den Roman. Der ist noch nicht fertig? Was fehlt denn noch? Die Handlung schon wieder? Warum schreibst du deinen blöden Roman nicht allein? Ich soll also bleiben. Was fürchtest du? Kitsch? Und was ist das? Belangloses kindisches unrealistisches romantisches Blabla? Oh, das war jetzt aber schon eine ziemlich gute Wolke, die du da zusammengeschoben hast. Also, wenn das Kitsch ist, dann liebe ich Kitsch. Was willst du? Einen Sinn? Hast du noch mehr solcher Wörter? Ach so, die Leser wollen das. Vielleicht kommst du morgen mit einer besseren Idee wieder?
© Brigitte Hieber 2020-11-23