Heute, genau vor sechs Wochen legte mein und wohl auch Ihr gewohntes Leben eine Vollbremsung hin. Wochen, die geprägt waren durch Zoom und Skypesitzungen, Instagram Aktivitäten, Chats auf Whatsapp und rund um die Uhr posten auf Facebook. Darüber hinaus produzierte ich kostenlose Beratungsvideos, die niemanden interessierten.
Seit gestern diagnostiziere ich bei mir eine Art digitale Vergiftung und heute Morgen wachte ich auf, um mir vorzunehmen, mich in den folgenden Tagen zu entgiften. „Digital detox“ ist angesagt.
Die von Psychologinnen und Therapeuten, Pädagoginnen und Beratern empfohlene und von mir, über sechs Wochen praktizierte Einhaltung von Struktur und Tagesplanung, wird ab heute durchbrochen.
Beim Durchbrechen von Komfortzonen bin ich nämlich gut. „Schau ma mol“, was das Leben sonst noch zu bieten hat. Beim Aufwachen fällt mir heute mein Wandtatoo neben dem Bett besonders auf: „Wähle das Wunder, das Wunder wählt mich.“ Seit Jahren schmückt dieses Wandtatoo mit dem Sign von Jwala Gamper mein Schlafzimmer. Selten fühlte ich mich davon so aufgefordert wie heute. Ergänzend dazu, fällt mir die Liedzeile:“Wenn sonst nichts geht, ein Wunder geht“, von Andre‘ Heller ein. Aus seinem neuesten Booklet „Spätes Leuchten“. „Wunder“, das Motto dieses Tages.
Zuversichtlich springe ich unter die Dusche. Joga und Meditation fällt heute aus, denn das gehört zu meiner üblichen Tagesstruktur, die ich ja außer Kraft gesetzt hatte. Zum Frühstück gönne ich mir ein Kipferl mit Butter und Marmelade, dazu einen Milchkaffe anstatt Müsli mit Grüntee und das 16 Stunden Fasten wird heute ebenfalls unterbrochen.
Eine liebe Bekannte ruft mich an. Auf die Frage nach ihrem Befinden, antwortete sie mir, dass sie sich derzeit wieder als Teil der Gesellschaft sieht, weil jetzt alle isoliert sind. Diese Bekannte pflegt seit Jahren ihre demente Schwiegermutter, die ihr über Jahrzehnte das Leben zur Hölle gemacht hatte. Ich bin betroffen, weil auch ich meine Bekannte kaum unterstützte. Ein Wunder, dass es ihr, trotz dieser Krise, so wunderbar geht.
So ist es eben auf dem Land: „Wer den Hof erbt, der muss sich um die Alten kümmern.“ Alternativen sind nicht akzeptiert und die Last trifft vor allem die Frauen. Dass meine Bekannte jetzt, aufgrund Corona, sich wieder als Teil der Gesellschaft fühlt, ist eine beachtenswerte Sichtweise und zeugt von Kraft und Mut. Ein Wunder, irgendwie!
Heilige Corona, du Schutzheilige des Geldes und der Seuchen. Welche Ironie oder ist es doch ein Wunder und wir können es nicht sehen, was ja das übliche Schicksal von Wundern ist?
Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. St. Corona am Wechsel. 3 Tagesmärsche von mir entfernt. Ich habe ein neues Ziel: Ich pilgere, sobald die Ausgangsbeschränkung vorbei ist, zu Fuß nach St. Corona am Wechsel. Es ist 13’30 Uhr und schon so viele Wunder heute? Da bin ich aber gespannt, was der Rest des Tages noch an Wundern für mich bereit hält. Das ist dann aber eine andere Geschichte.
© Ingeborg Berta Hofbauer 2020-04-27