Dopaminsucht und andere Ablenkungen

Feenstaub

von Feenstaub

Story

Vielleicht liest du diesem Text während du dein Smartphone in der Hand hast. Wenn das der Fall ist, bist du damit nicht allein und gehörst möglicherweise zu den Menschen, die ihr Handy im Durchschnitt 88 Mal pro Tag in die Hand nehmen und das alle 18 Minuten. Gleichzeitig dauert es wohl im Schnitt um genau diese Zeit bis man sich bei der Arbeit wieder auf seinen Vorgang konzentrieren kann, wenn man sich ablenken lässt. Wie solche Zahlen berechnet werden, ist mir nicht bekannt, ich habe keine Ahnung von Statistiken. In dem Fall stimmen allerdings meine subjektive Wahrnehmung und die Zahlen überein. Ich habe das Handy im allgemeinen ständig in der Hand. Um zu schauen, wann die Bahn fährt, keine Nachrichten zu verpassen, zum Shoppen. Aber was meiner Aufmerksamkeit den Genickbruch verliehen hat, ist die App namens Instagram. Bei dir ist es vielleicht Ticktock oder Facebook oder Spiele. Auf jeden Fall habe ich bis vor Kurzem Dopamin ausschließlich mit Gutem verbunden, war es in meinem laienhaften Verständnis der Botenstoff, der mit Glück in Verbindung steht. Tut er ja auch, aber wie so oft macht die Summe das Gift und unser Gehirn stößt jedes Mal eine minimale Menge aus, wenn wir uns durch die Stories klicken. Ist natürlich weniger anstrengend, als größere Mengen mit einem richtigen Gespräch auszuschütten.

Auf jeden Fall hatte ich schon länger die Ahnung, dass mein Handy mich von geistigen Höchstleistungen abhielt. Ist doch ein schöner Gedanke, was alles möglich wäre, wenn nicht ein Teufelsgerät meine Gehirnzellen an sich binden würde. Ich glaube natürlich nicht wirklich, dass es Teufelszeug ist – man kann es für Bildung nutzen oder sonstigem Sinnvollen. Oder man schaut sich das zehnte Video über Katzenbabys an. Nichts gegen Katzenbabys, es gibt kaum etwas goldigeres. Zurück zur Ablenkung. Ich hatte ja Instagram als die App identifiziert, die ich meinte, nicht aus den Augen lassen zu können, aus der allbekannten Angst etwas zu verpassen. Das alleine ist schon paradox, wenn man bedenkt, dass die meisten Storys immerhin 24 Stunden on sind. Wie dem auch sei, ich hatte lange mit mir gekämpft, Ausrede für Ausrede zurechtgelegt, warum ich jetzt nicht pausieren kann. Klingt nach Suchtverhalten? Meine Rede. Doch irgendwann kam der Tag, wo ich zu viele unerledigte to Dos hatte und ahnte, diese nicht erledigt zu kriegen, wenn ich nicht zu drastischen Maßnahmen greifen würde. Ich meldete mich ab und deinstallierte die App. Die ersten Minuten war ich so stolz, dass ich mein Handy in die Hand nahm um alle die es interessierte (ebenso diejenigen die es nicht die Bohne juckte) darüber zu informieren, welch bahnbrechenden Schritt ich getan hatte. Legte das Handy zur Seite, nur um dreimal ins Leere zu greifen – was brachte das Handy ohne Lieblingsapp. Du fragst dich jetzt vielleicht, ob ich nun produktiver bin? Frag gleich nochmal, bin bei Youtube am Katzenvideos schauen. Im Ernst, eine App weniger ist schon mal gut, aber Ablenkungen sind überall.

© Feenstaub 2022-07-15

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