Doppelgänger

„Ja, hallo? Schnell, mein Nachbar reagiert allergisch auf Bienenstiche und ist bewusstlos! Bitte kommen Sie schnell in die Gartenanlage „Glück auf!“, Gartennummer 26, Breite Straße 99. Parken auf dem Schotterparkplatz. Dann durch das Haupttor und immer geradeaus. An einer großen Birke ist das Tor zu seinem Garten!”.
Renate gab aufgebracht alle Informationen durch.
„Nachname? Angehörige? Allergiepass?“, wiederholte Renate die Anweisungen, die sie durch das Telefon erhielt. Ratlos durchkämmte sie Peters Hosentaschen und die Laube nach irgendwelchen Hinweisen. In der Laube stand tatsächlich ein Bett, daneben ein Schrank, eine kleine Küchenzeile und sogar ein scheinbar selbstgebautes Nachtschränkchen. Auf dem Nachttisch jedoch nur seinen Personalausweis. Verdammt, ihre Lesebrille lag noch auf ihrem Tisch vor der Laube. Sie kniff die Augen zusammen. Den Namen konnte sie sogar ohne Brille entziffern, doch das konnte nicht sein, das musste der falsche Ausweis sein. „Achim Winter“, las sie verdutzt vor. Daneben erblickte sie tatsächlich Peters Bild, ganz ernst und mit viel tieferen Augenringen als jetzt. Renate blickte verwirrt zwischen dem bewusstlosen Peter und dem Ausweisfoto hin und her.
„Hallo?“, schallte es aus der anderen Leitung. „Mein Team ist unterwegs. Bleiben Sie vor Ort, wir sind sofort da! Wenn sie nichts gefunden haben, ist das nicht schlimm“, sagte die Stimme auf der anderen Leitung. Renate hatte aus irgendeinem Grund das Gefühl, dass sie den Ausweis erstmal für sich behalten sollte und steckte ihn in ihre Hosentasche. Das sollte ihr Peter selbst erklären. „Danke, ich bleibe hier. Nein, habe nichts gefunden leider!“, gab Renate aufgeregt durch. Als sie auflegte, hörte sie schon Sirenen.

Peter wurde auf eine Trage gehievt und von mehreren Menschen in Uniform abtransportiert. Das Geschehen hatte gleich mehrere Gartennachbarn aus ihren Lauben gelockt. Der Krankenwagen entfernte sich langsam über den Hauptweg und Renate wartete, bis die flackernden Blaulichter aus ihrem Sichtfeld verschwunden waren. Man hatte ihr gesagt, in welches Krankenhaus er gebracht wird. Gleich morgen Früh konnte sie vorbeikommen und Peter im Krankenhaus besuchen. Erschlagen von den Ereignissen trottete sie auf dem Hauptweg der Schrebergartenanlage zurück zu ihrem Gartentor und schloss ihr Tor auf.
Ratlos zog sie eine Runde durch ihren Garten und schlenderte gerade an ihren Blumenbeeten vorbei, da sah sie, wie ein Trio aus der unteren Gartenreihe von Klaus‘ Garten nach oben zu Peters Tor eilte. Renate erkannte Trödelklaus, Lara und noch eine dritte Person. Sie alle eilten zu Peters Tor und blieben verdutzt stehen, als sie ihn nicht antrafen.
„Der ist im Krankenhaus, falls ihr ihn sucht“, rief sie dem Trio zu. Aus irgendeinem Grund wirkten alle sehr aufgebracht.
„Dann fahren wir da jetzt hin!“, schlug Trödelklaus vor.
„Das geht nicht, Peter ist ohnmächtig. Hat allergisch auf einen Bienenstich reagiert. Aus dem bekommt ihr jetzt keinen Ton raus“, stoppte Renate das Vorhaben.
„Warum wollt ihr denn unbedingt zu ihm?“, fragte sie noch weiter.
Trödelklaus holte tief Luft. „Weil er mir erklären soll, warum er meine Hecke abgebrannt hat“.