von diephilosophie
Ich und meine neuen Freunde hören laut Musik, während das Internet nicht funktioniert, und ich rede über meine alte Schule. Warum bin ich so nervös? Niemand schaut mich ständig an, ich muss nicht die ganze Zeit meine Haare richten. Aber ich denke: Jeder schaut mich an, und ich falle über meine Worte, wie immer. Und das ist okay, wenn ich mit dir in deiner Küche stehe oder mit dir im Auto lache, aber nicht vor ihnen – praktisch Fremden, die fast nichts von mir wissen. Sie wissen nicht, wie es mir letzten Sommer ging, und sie wissen nicht, wie ich lache oder Geschichten erzähle. Und, dass ich immer über meine Worte falle. Vielleicht sollte ich nicht reden. Schon immer dachte ich, dass ich dir immer nur zugehört habe. Habe ich richtig zugehört, und hast du es wirklich so gemeint? Ich höre meinen neuen Freunden zu, aber ich denke an dich. Denkst du manchmal auch, wie ähnlich unser Musikgeschmack ist? Und bei diesem einen Lied, das ich weiß, dass du hörst – spürst du die Instrumente, wie sie immer lauter werden? Und dann wird alles leiser? Vielleicht sollte ich auch mal laut zu dir werden und dann ganz, ganz leise. Im Badezimmer auf einer Party wurde mir mal gesagt, dass ich nicht alles einfach so hinnehmen soll. Denkst du auch so? Oder freust du dich, dass ich dich nie konfrontiert habe? Ich wollte nie konfrontieren. Sonst verliere ich dich, und dann bin ich noch leerer. Eigentlich denke ich oft, dass alles, was mich besonders macht, nur unser „Fast“ war. Unser „Beinahe“. Und dann denke ich oft, dass andere das traurig fänden. Und ich denke immer daran, was andere denken, wenn ich über meine Worte falle. Ich habe versucht, von vorne anzufangen. Ich habe versucht, Besonderes zu finden – unter Menschen in Bars, in Clubs, in lauten Hallen und Räumen. Während du mit Leichtigkeit von vorne angefangen hast, denke ich noch daran. Ich gebe den Liedern, den Filmen, den Gedichten die Schuld. Denn jetzt sehe ich alles, was damals war, viel schöner und besser, als es wirklich war. Und alles, was beinahe war – das ist noch viel schlimmer. Das ist noch viel schwieriger zu vergessen. Oder vielleicht war es gar kein „Beinahe“, und ich habe mich schon lächerlich gemacht, indem ich dachte, dass es einen Anfang gab. Ich traue mich nicht mal, meine Texte herzuzeigen, denn sie sind doch irgendwie alle über dich, und das hasse ich. Ich tröste mich damit, dass ich nur jetzt denke, dass ich dich liebe, und dass das eigentlich gar nicht stimmt. Ich fixiere mich nur darauf, weil ich nichts anderes habe, auf das ich mich fixieren kann. Und ich denke nur jetzt, dass du das Interessanteste bist, was mir je passiert ist. Vielleicht eben darum, weil du nur ein „Beinahe“ warst, denn Tragödien sind immer spannender. Ich fixiere mich immer auf das, was gescheitert ist. Ich gebe mir selbst die Schuld. Und dir will ich nicht die Schuld geben und dich will ich nicht schlecht fühlen lassen. An dir hänge ich nur, weil ich noch keine neue, interessante Geschichte gefunden habe. Also fühl dich nicht besonders, weil ich mache das doch nur, weil du mich immer so gut zum Schreiben bringen kannst. Und jetzt bin ich weg von dir, in einem Raum mit neuen Leuten. Doch ich komme immer wieder zurück – zu dir. Meinem besten Freund, meinem Lieblingsproblem – bis der Tod oder etwas Interessanteres uns scheidet. Und ich weiß, dass ich auf meinem Weg allen Schmerz und all meine Unsicherheiten zu bekämpfen, ich schlussendlich gegen dich kämpfen muss. Meinem Endgegner.
© diephilosophie 2023-08-29