Duwisib – Schock im Schloss

NeleChryselius

von NeleChryselius

Story

Das Jahr war fast vorüber, als eine erschreckende Nachricht um die Welt ging. Eine folgenschwere Entscheidung war gefallen, gegen Sicherheit und Frieden und Gerechtigkeit.

Im November 2016 waren wir unterwegs im Süden Afrikas – oft in the middle of nowhere, ohne Verbindung zur Außenwelt. “Die Welt kommt auch drei Wochen ohne uns aus”, war Leos Überzeugung, während ich immer mal wieder “heimlich” Schlagzeilen las, wenn ich Zugang zum Netz hatte. Aber auch mein Interesse an Geschehnissen, die irgendwo anders passierten, als dort, wo wir gerade waren, erlosch nach zehn Tagen.

Am 10.11.2016 fuhren vom Tirasgebirge zum NamibRand Nature Reserve. Schloss Duwisib lag mehr oder weniger auf dem Weg. Wir machten einen kleinen Umweg, um uns diese Ritterburg anzuschauen, die ein dekadenter Deutscher Anfang des 20. Jahrhunderts errichten ließ. Hansheinrich von Wolf war als Offizier der als “Schutztruppe” bezeichneten kaiserlichen Armee nach Namibia gekommen. Seine Frau hatte üppig geerbt und so erfüllte man sich den Traum eines Schlosses und verschandelte die Landschaft mit einem Bollwerk deutscher Machart. Die Möbel wurden in der Heimat angefertigt, Kosten scheuten der Bauherr und die Gattin nicht, Mühe wurde den ausgebeuteten Einheimischen abverlangt. Das Schlossherrendasein währte fünf Jahre, dann kam dem pflichteifrigen Offizier der Erste Weltkrieg dazwischen. Er meldete sich freiwillig zum Dienst und starb auf dem Schlachtfeld. Die Gattin ging zurück in ihr Heimatland, die USA, und verzichtete auf ihr Eigentum. Seit 1979 gehört das Schloss dem Staat Namibia.

Wir sahen den Backsteinklotz schon aus großer Entfernung. Je näher wir kamen, desto hässlicher und abweisender wirkte der Bau.

An der Rezeption wurden wir von Jessy, der charmanten Empfangschefin, begrüßt. Nach ein wenig Small Talk traf uns ihre Frage wie ein Blitz aus heiterem Himmel. “What do you think about the new President of America?”, meinte sie, nun mit einem verkrampften Lächeln. Wir dachten kurz an einen schlechten Scherz, hatten nicht ernsthaft daran gezweifelt, dass Hillary Clinton die Wahl gewinnen würde. Außerstande, zu antworten, starrten wir Jessy ungläubig an. “Yes, it’s true!”, rief sie, „Donald Trump is the next President of the United States of America“. Bei 40° C gefror uns das Blut in den Adern. Unser Freund Peter hielt mir seinen Gänsehaut-Arm entgegen. Beklommen gingen wir in den Innenhof des Schlosses, bestellten Getränke und waren nicht in der Lage, unser Entsetzen in Worte zu fassen.

Jessy kam an unseren Tisch und sagte: “Don’t forget, we all have to stick together against this monster.”

2019 in Johannesburg, Nelson-Mandela-Square. Ich traue meinen Augen nicht: Ich sitze direkt neben dem Trump Center. Am liebsten würde ich dem Gebäude mein entblößtes Hinterteil entgegenstrecken.

“Beruhige dich”, sagt Leo, “und schau nochmal genau hin”. Ich lese “Trumps Grillhouse”, also ein unschuldiges Lokal.

Der Abend ist gerettet.

© NeleChryselius 2021-02-07

Hashtags