Ein Brief an meine Schwester

Melanie Prengel

von Melanie Prengel

Story

Liebe Johanna,

Ich kann es gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich freue, dass du zurück in meinem Leben bist. Das letzte Mal als ich dich gesehen habe, warst du gerade mal ein Jahr alt und ich bereits neun. Ich kann mich immer noch an dein breites Lächeln erinnern sowie deine großen Augen, welche die Welt immer wieder mit neuer Bewunderung und voller Erstaunen betrachtete. Ich dachte damals in meinen jungen Jahren, du bist das Beste, was ich jemals kennenlernen durfte. Desto größer war der Schmerz als ich den Kontakt zu unserem Vater abbrach und somit auch zu dir. Es war, als wäre ein Loch in meinem Herzen, was ich nicht füllen konnte, es fehlte jemand. Als mein Opa starb und wir seine Beerdigung planten, war das letzte womit ich gerechnet hätte einen Brief von meinem Vater zu erhalten. Den mein Onkel mir am Tage der Beerdigung gab. Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte, denn welche Emotion sollte man auch für jemanden empfinden den man mehr als ein Jahrzehnt nicht mehr gesehen gar mit gesprochen hat. Der zum Fremden geworden ist. Doch als ich den Brief umdrehte, war mir, als würde mein Herz stillstehen. Als ich folgenden Zeilen las: Liebe Grüße auch von Johanna. Sie würde sehr gerne ihre große Schwester kennenlernen. Wenn du zu mir keinen Kontakt mehr haben möchtest, vielleicht ja zu deiner kleinen Schwester. Mir kamen die Tränen, es war, als könnte mein Herz endlich wieder Atem und weiter pulsieren. Ich habe nicht die geringste Ahnung was es bedeutet eine große Schwester zu sein. Aber, dass du mir die Chance gibst dies herauszufinden, bedeutet mir ungemein viel, du kannst es dir bestimmt gar nicht vorstellen. Oder vielleicht ja auch doch. Denn wie geht man damit um, wenn man lernt, dass man eine große Schwester hat, an die man sich nicht erinnern kann. Ich möchte, dass du, weißt das, du mein Sonnenschein bist, meine Sonnenblume. Ich kann es kaum erwarten dich besser kennenzulernen sowie du mich.

Aber so, nun genug geschrieben, ich hoffe, du genießt noch die restlichen Sommerferien und freust dich ebenso wie ich auf die Herbstferien wo du uns endlich besuchen kommst. Die Sonnenblumen Villa wird dir bestimmt gefallen. Oma ist meistens in der Bibliothek vorzufinden, wo sie im Ohrensessel liest. Ich glaube, sie ist eher damit beschäftigt hinaus auf das Meer zu schauen, als wirklich zu lesen. Meine Tante und mein Onkel, sind eifrig dabei Fischgerichte auszuprobieren und kochen ganz viel. Seitdem meine Tante hier her nach oben gezogen ist, wirkt sie viel entspannter und entschleunigt. Nicht mehr wie ein Hamster im Rad. Meine Mama ist ebenfalls viel entspannter, als wäre sie nochmal aufgeblüht. Es hat sie schon immer ans Meer gezogen, weswegen ich mich umso mehr freue wie sie jeden Tag am Strand nach Hühnergöttern sucht und ihre Augen wieder am Leuchten sind. Alexander und ich begleiten sie manchmal, bis jetzt ist sie die Einzige die Hühnergötter findet. Wir finden ab und zu schöne Muscheln, die wir sammeln. Es macht mich glücklich, dass sich die beiden so gut verstehen. Übrigens kommt Alexanders Mutter und sein Onkel uns zur selben Zeit besuchen, wie du. Laut Alexander macht sein Onkel unglaubliche gute Nudelgerichte, die besten die du je probieren wirst. Uwe ist dem ganzen etwas kritisch gegenüber. Aber ich freue mich schon sehr auf unsere gemeinsame Zeit. Deine Rosalie x

© Melanie Prengel 2023-09-04

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional