Ein ungelesener Brief

Gedankenblüherei

von Gedankenblüherei

Story

Sie hatte langes, lockiges Haar und ein Lächeln, das einen in seinen Bann zog, von dem man sich nicht abwenden konnte. Sie war zurückhaltend, eine gute Schülerin mit den besten Noten, aber wenn es sein musste, konnte sie auch sehr fordernd sein.

Ich dagegen war ein schlechter Schüler aus einer Flüchtlingsfamilie und beherrschte die deutsche Sprache nur schwer. Ich war nicht sehr beliebt, aber ich hatte einige gute Freunde aus der Grundschule, die mit mir in der neuen Klasse waren.

Im Gegensatz zu mir war Cornelia ziemlich beliebt. Sie war mit allen befreundet und immer höflich und freundlich. Ich mochte sie sehr gern und später vermisste ich sie für eine Weile sehr. Ich schrieb ihr regelmäßig Briefe, traute mich aber nie, einen abzusenden. Außer an dem Tag, als wir auf diese Klassenfahrt gingen und ich ihr im Bus einen Zettel schrieb und sie fragte, mit mir zu gehen. Die Antwort war: JA, NEIN und vielleicht. Ich überreichte ihr den Zettel nicht persönlich, dazu war ich zu nervös, sondern bat meinen besten Freund, den Zettel an ihre Sitznachbarin weiterzugeben. Minuten später kam der Zettel zurück, und ich zitterte am ganzen Körper. Ich entfaltete den Zettel schnell, um zu sehen, was sie markiert hatte. Und da sah ich es, ein „vielleicht“. Meine Welt brach aus irgendeinem Grund plötzlich zusammen. Es war etwas Negatives für mich, etwas, das ich nicht erwartet hatte. Ich wollte so sehr ein „JA“, ich wollte es so sehr. Ohne daran zu denken, dass dieses „vielleicht“ ein indirektes „JA“ sein könnte, tat ich nichts weiter.

Tage und Wochen vergingen und ich versuchte Cornelia zu vergessen, aber ich konnte es nicht. Sie war immer anwesend. Ich nahm all meinen Mut zusammen und schrieb ihr einen weiteren Brief, in dem ich alles beschrieb, was mir wichtig war. Ich wollte ihr den Brief kurz vor den Semesterferien geben, um mir die mögliche Peinlichkeit zu ersparen. Und sie würde etwas Zeit zum Nachdenken haben.

Kurze Zeit später beschlossen meine Eltern, bis zu den Semesterferien zu warten und dann nach Oberösterreich zu ziehen, weil mein Vater dort eine Arbeit gefunden hatte und wir nur so in Österreich bleiben konnten. So wurde mir klar, dass ich Cornelia in mein Herz geschlossen hatte, aber dass wir beide keine gemeinsame Zukunft haben. Die Zeit verging, und die Semesterferien standen vor der Tür. Ich ging, ohne mich zu verabschieden und ohne ihr den Brief zu geben. Ich nahm nur die schöne Erinnerung an Cornelia mit.

© Gedankenblüherei 2020-08-12

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