von Sandra Brix
Ich fuhr mit dem Aufzug hoch und als ich ausstieg, sah ich ihn schon in der Tür warten. „Hey Schönheit, bist du nach drei Wochen München so ausgehungert, dass du nicht mehr länger warten konntest, oder warum musste es heute so schnell gehen?“ Doch als ich immer näher kam und er mich genauer sah, machte er mir Platz damit ich mich in seine Wohnung flüchten konnte. All meine Kraft war wie ausgelöscht und ich sank in seine Arme, ließ mich von seiner Umarmung stützen, begann wieder zu weinen und hatte das Gefühl nie wieder damit aufhören zu können. Er hielt mich fest und irgendwann ließ er sich mit mir auf seinen Fußboden sinken, den wir zuletzt in anderer Form benutzt hatten, doch heute diente er meinem geschwächten Körper, der sich so schwer, tat stehen zu bleiben. Als ich aufsah zu ihm, streckte er mir die Taschentuchbox entgegen. In dem kurzen Augenblick, in dem ich mich etwas fing, sah ich in seine fragenden Augen und presste zwischen meinen Lippen den schmerzhaftesten und unwirklichsten Satz heraus, den ich je aussprechen musste. „Samu ist tot.“ Während ich es sagte, begannen wieder Tränen über mein Gesicht zu laufen. „Oh fuck. Es tut mir leid Mira.“ Er hielt sich die Hände an seine Stirn, rieb sich angespannt über sein Gesicht, um mich gleich darauf einfach wieder fest zu halten. Ich hatte mein Weinen nicht mehr unter Kontrolle. Er zog mich an sich heran, umklammerte mich mit seinen Armen und Beinen und ließ mich einfach an seiner Schulter schluchzen. Nach einiger Zeit begannen meine Tränen weniger zu werden. „Mira?“ fragte er ganz leise. „Ja?“ erwiderte ich kaum hörbar. „Ich bekomm langsam einen Krampf im Bein. Können wir aufstehen und du heulst auf der Couch weiter mein T-Shirt voll?“ Ich musste lachen. Ich nickte und begann meine Taschentücher einzusammeln. „Lass sie liegen, das mach ich später, ist zwar ekelig aber was solls, ich hatte schon andere Flüssigkeiten von dir in meiner Wohnung.“ „Gott du bist so blöd.“ Er wollte mich aufmuntern und für ein paar Sekunden gelang es ihm auch. „Mira?“ Wieder fragt er ganz vorsichtig, als hätte er Angst ich könnte beim Klang meines Namens zerbrechen. „Ja?“ „Soll ich mit Dir aufs Begräbnis gehen?“ Mit dieser Frage riss er mich aus meinem Delirium. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. „Denkst du ich kann dort hin gehen? Nachdem er sich von mir getrennt hat? Ist das nicht unpassend? Muss ich Paul vorher fragen?“ „Du musst überhaupt niemanden fragen, wenn du zu seinem Begräbnis gehst. Du hast ihn vermutlich mehr geliebt, als irgendein anderer Mensch dort. Und ich geh mal davon aus, dass so viele Leute dort sein werden, dass du nicht mal auffällst.“ „Meinst du?“ Ich bekam Panik bei dem Gedanken Paul und Steffi zu sehen. Ihnen kondolieren zu müssen. Seiner Mutter Anna mein Beileid auszusprechen. Seiner Oma. „Du würdest echt mitkommen?“ „Klar. Schon vergessen. Freunde und Sex. Und wenn du grad einen Freund brauchst, den du vollrotzen kannst oder hinter dem du dich verstecken willst, bin ich gern dein Schutzschild.“ „Jakob?“ „Was?“ „Du bist der Beste.“ „Ja das erzählt man sich so.“ Wieder entfuhr ein Lächeln meinem Gesicht. „Na siehst du, wird schon, ein paar Jährchen noch, dann kannst du über ihn reden, ohne in Tränen auszubrechen.“ Und schon tauschte ich das Lächeln wieder gegen Tränen.
© Sandra Brix 2024-01-16