von Michael Schaake
1976 im Club Aldiana Senegal, ich war Leiter der Animation und Reiseleitung. Eines Abends holte man mich mit Alarm aus meinem Zimmer: „Michael, ein Gast ist tot, ertrunken!“ Ein junger Mann war im Pool ertrunken, vielleicht auch Herzschlag. Es war ein unnötiges Unglück, wie so oft Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände. Einer weniger, das wäre nicht passiert, mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Am nächsten Morgen (ein heißer Tag in jeder Hinsicht) fuhr ich mit dem hoteleigenen Krankenwagen und dem Toten hinten drin 100 km in die Hauptstadt Dakar, mit der Adresse der drei Krankenhäuser, die Kühlkammern für Leichen hatten. Hoteldirektor Claude sagte mir, er werde alle drei informieren. Vorweg, als ich in Dakar ankam, war niemand informiert. Telefon und Fax funktionierten nicht wegen der Regenzeit, nicht unüblich damals.
Unterwegs hielt mich die Polizei an: ein Toubab (Weißer) mit einem Krankenwagen? Sie sahen den Toten, oh Schreck, sofort weiter nach Dakar mit Blaulicht und Eskorte. Im ersten Krankenhaus angekommen wurde ich abgewiesen: Alle Kühlfächer belegt. Im zweiten auch abgelehnt: Wir nehmen keine Unfallopfer und sowieso alles belegt. Drittes Krankenhaus, last chance, bevor ich mit der Leiche direkt zum Friedhof fahre: Alle Kühlfächer belegt. Der Chef des Leichenhauses, ein freundlicher älterer Senegalese, hatte Mitleid mit dem jungen Mann, der da ratlos mit seiner Leiche vor dem Tor stand. Er nahm mich mit in den kühlen Keller, wir legten den Toten in einen Sarg, eher eine Kiste, und schickte mich zum Marché Kermél: „Mikael, kauf einen Eisblock, dann machen wir das.“ Ich also auf zum Markt. Überraschung, ein junger Weißer mit Krankenwagen, der einen Eisblock kaufen will? Ich erklärte wofür, blitzschnell war das Eis da. Ich nahm drei Blöcke, weil ich dachte, einer reicht nicht, um die Leiche zu bedecken. Ich musste nicht mal bezahlen, sie wollten nur helfen, waren aber froh, den unheimlichen Kunden schnell loszuwerden.
Zurück in der Leichenhalle wies mich der Chef in die Arbeit ein, mit Hackebeilchen zerhackten wir (nur) einen Eisblock in kleine Stücke und deckten damit den Leichnam ab. Er beauftragte mich, am nächsten Tag wiederzukommen, gleich mit einem Eisblock im Gepäck, und das täglich, solange bis eine Kühlkammer frei oder ein Flug für die Überführung gefunden sei. So geschah es, auf dem Markt kannte mich jetzt jeder, man begrüßte mich freudig mit viel Palaver, ich bezahlte natürlich auch. Jedes Mal, wenn wir das geschmolzene Eis gegen frisches austauschten, nahm der Chef meinen Daumen und drückte ihn in die Seite oder den Bauch des Leichnams: „Siehst Du, er ist noch frisch!“
Nach vier Tagen wurde der Tote nach Deutschland überführt, R.i.P. Ich konnte wieder der üblichen Arbeit im Hotel nachgehen.
© Michael Schaake 2020-09-17