Eine leise Weihnachtsgeschichte

Georg Weidinger

von Georg Weidinger

Story

Am Sonntag Daniel, Hannah und ich im Punschstand der Montessori-Schule am Weihnachtsmarkt in Bad Sauerbrunn. Mit dabei Heike und Edgar. Beide trinken keinen Alkohol. So muss ich unsere Gemische durchkosten. Ich bleibe dann beim Punsch. Um 15 Uhr auf der Bühne der Chor unserer Kinder mit Verstärkung der Eltern, ich Punsch-getränkt lauthals mittendrin. Davor herbeiströmende Menschen und die restlichen Eltern. Zögerliches Klatschen, kühle Stimmung.

Zurück im Stand schenkt Daniel fleißig aus, reicht Gulaschsuppe über die Theke. Vor dem Stand die Versammlung der anderen Eltern. Müde, angespannte Gesichter. Das Lächeln erzwungen. Der Weihnachtsmarkt für die Eltern mehr ein Pflichttermin als wahre Freude. Die Gespräche der Eltern untereinander sachlich. Hannah flitzt am Markt herum, immer ein Kind im Schlepptau.

Auf einmal nimmt mich Daniel in den Arm. Wir halten uns für etwa fünf Minuten, vergessen alles um uns herum. Ich bin so stolz auf unsere Familie. Als Patchworkfamilie hat man es nicht leicht. Doch meine zwei, Lena und Daniel, lieben Sandra mittlerweile heiß. Und das „Stief“- vor Tochter ist bei Hannah längst verschwunden. „Wie sagt Hannah eigentlich zu Dir?“, fragt mich Heike. „Papi“, entgegne ich. „Und ihr leiblicher Vater ist der Papa“. Da umarmt mich Hannah und ist auch gleich wieder weg.

Die meisten Eltern haben den „Pflichttermin Weihnachtsmarkt“ schon beendet und sind gegangen. Auf der Bühne baut die Band um Austrobockerl und Gary Lux ihre Instrumente auf. „Fett is a worden, und kane Hoa mehr! Das der jetzt auf so Festeln spielen muss. Scho oag, oder?!“, höre ich vor der Theke Punschgäste reden. Sie meinen den Gary Lux, bekannt von den Songcontests der 80er Jahre. Wenigstens macht er noch Musik und ist sich selber treu, denke ich, denke dabei an mich.

Dann die ersten Lieder von Ambros, wirklich gut, noch immer kühle Stimmung. Bei „I am from Austria“ beginnt ein offensichtlich geistig behinderter Jugendlicher mit geschlossenen Augen vor unserem Stand zu tanzen. Als einziger. Er wirkt bei sich und glücklich. Es ist grad viel los, ich schenke einen Punsch nach dem anderen ein. Faith, die -ich schätze- Vierjährige von Heike lacht mich ständig an, gerade zurück mit Hannah vom Baumkuchen–Holen.

Die alten Austrohadern rühren mich zu Tränen. Ich sehe, dass Gary glücklich ist. Ich erinnere die Kinder: „Esst noch was. Zu Hause geht’s dann gleich ab ins Bett.“ Mich selbst stößt das Kartoffelgulasch mit Tomatenmarkgeschmack auf.

Es ist kurz vor 20 Uhr. Kurt löst uns ab. „Ja wirklich? Ich kann schon gehen …?“ Bin noch in den EindrĂĽcken des Standes gefangen. Beim Weg zum Auto sehe ich den gehandicapten Jugendlichen. Er steht abseits, starrt ins Leere. Ich wĂĽrde ihn gerne umarmen, traue mich aber nicht. Ich lächle ihn an. Er sieht es nicht. Im Auto ist es auf einmal still. Gary, der gerade die Zugabe ansagt, fĂĽr uns kaum mehr hörbar.

„Frohe Weihnachten!“, flĂĽstere ich. Das hatte ich den anderen im Stand noch sagen wollen …

© Georg Weidinger 2019-12-16

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