Endstation Pötzleinsdorf

Nina Burian

von Nina Burian

Story

Montag, 8 Uhr frĂŒh. Eine Horde Kinder steigt lĂ€rmend aus dem 41er aus. Der Bimfahrer (schaut aus wie unser Ex-BĂŒrgermeister HĂ€upl mit Sonnenbrille) verlĂ€sst die Straßenbahn gemeinsam mit den SchĂŒlern und schlurft in meine Richtung. Hinter mir befindet sich ein öffentliches Klo, dass er wohl anstrebt. Als er sich der Woge Kinder entreißt, stapft er kopfschĂŒttelnd an mir vorbei und murmelt “ Geh‘ leckts mi do olle am Oasch…“ und verschwindet im HĂ€usl.

Verwundert lasse ich mich auf der nĂ€chsten Bank nieder und warte gespannt, was als nĂ€chstes passiert. Schließlich soll die Bim vom HĂ€upl-Look-Alike in einer Minute wieder abfahren. Doch die Zeit vergeht und im stillen Örtchen bleibt alles ruhig. Wann kommt der Bimfahrer wieder raus? Ist er ins Klo gefallen? Ganz normale Montag-Morgen-Gedanken und immer noch spannender als die Gratis-Zeitung.

WĂ€hrend ich mich das noch frage, kommt auch schon die nĂ€chste Bim, vollgestopft mit noch mehr SchĂŒlern. Sie kann natĂŒrlich nicht in die Station einfahren, da die andere Bim immer noch verwaist auf ihren Chauffeur wartet.

Der Fahrer der neuen Straßenbahn tut mit ununterbrochenem Bimmeln seinen Unmut kund. VerstĂ€ndlich, hocken ihm doch im Nacken ein Haufen schreiender Kinder, ein paar MĂŒde Erwachsene und die obligatorischen grantigen Pensionisten. Er ist offensichtlich hin- und hergerissen zwischen dem wĂŒtenden Lynchmob von SchĂŒlern, die zu spĂ€t dran sind und der Verantwortung, die Kinder nicht einfach mitten in den Morgenverkehr aussteigen zu lassen.

Alle Leute, die gemeinsam mit mir warten schauen verwirrt zwischen den beiden Bims hin und her, keiner gibt ein Kommentar ab.

Der HĂ€upl-DoppelgĂ€nger lĂ€sst sich nicht hetzen. Geschlagene 5 Minuten spĂ€ter verlĂ€sst er mit einer Tschick im Mundwinkel das Heisl und schlurft betont langsam zurĂŒck zu seiner Bim. Das Bimmeln der anderen Straßenbahn wird schriller und schriller. Meine Wartegenossen starren ihm schweigend entgegen. Bevor der Fahrer wieder einsteigt hĂ€lt er das Gesicht gegen die Sonne, lĂ€chelt, inhaliert tief und schnipst den Stummel weg.

Wir FahrgĂ€ste steigen leise ein und versuchen nicht aufzufallen. Geduckt drĂŒckt sich jeder in den Sitz, die Straßenbahn zuckelt langsam los.

Die AutoritÀt der Wiener Bimfahrer ist unantastbar.

© Nina Burian 2019-10-25

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