von Nina Waldkirch
Einen Teil unserer Flitterwochen verbringen mein Mann und ich in der Pezulu Tree House Lodge in Südafrika. Unser Honeymoon Treehouse steht auf hölzernen Stelzen in sieben Metern Höhe inmitten der Krone eines Huilboerboon-Baumes. Lediglich der Eingang hat eine Glastür, alle Fenster sind scheibenlos und nur mit einem Fliegengitter vor der Wildnis geschützt. Davor liegt ein Wasserloch, zu dem sich regelmäßig Zebras und Impalas zum Trinken verirren. Ich kann es kaum erwarten, eine Nacht in diesem traumhaften Baumhaus zu verbringen. Beim Abendessen, das alle Gäste gemeinsam in einem traditionellen Boma zu sich nehmen, schwärmen uns die anderen Bewohner von den Buschbabys vor – kleine, nachtaktive Feuchtnasenaffen, die in den Bäumen wohnen und sich auf ihren Streifzügen ganz gerne mal blicken lassen.
Zurück in unserem Baumhaus ist bereits die Nacht hereingebrochen. Also setze ich mich auf den Balkon und halte neugierig nach den Bushbabys Ausschau. Tatsächlich dauert es nicht lange, bis die kleinen Nasenaffen aus ihrem Versteck in den Baumkronen hüpfen. Mit ihren riesigen, in der Dunkelheit leuchtenden Kulleraugen und ihren übergroßen, aufmerksam gespitzten Ohren sehen sie wirklich süß aus. Einer von ihnen hält kurz inne und beäugt mich, dann folgt er dem ungeduldigen Ruf seiner Kollegen und verschwindet mit einem Satz im undurchdringlichen Geäst der Bäume. Wie verzaubert gehe ich ins Bauhaus, ziehe das Netz des Himmelbettes zu und schlafe, umgeben von exotischen Tierlauten, bald ein.
Mitten in der Nacht wache ich von einem seltsamen Gefühl auf: Etwas ist in unserem Bett! Ich spüre die Schwere eines Körpers, der sich geschmeidig über die Decke bewegt. Erschrocken setze ich mich auf und wecke Sascha. Er knipst die Nachttischlampe an und schaut sich schlaftrunken um. Es ist nichts zu sehen. »Das hast du bestimmt nur geträumt«, winkt er unbeeindruckt ab und löscht das Licht. Verunsichert lege ich mich wieder hin. Doch kaum bin ich eingedöst, kitzeln mich Schnurrhaare an meiner Hand. Ich schreie auf. Sascha schaltet die Lampe wieder ein. Auch dieses Mal ist nichts zu sehen. Erneut schließen wir die Augen, lassen das Licht aber an. Nun ist es Sascha, der hochschreckt. »Jetzt hab ich’s auch gespürt.« Plötzlich hören wir von überall her im Baumhaus kleine Füße springen und rennen. Wie sich herausstellt, wohnt eine ganze Horde von Bushbabys im Dach unseres Hauses. Der Huilboerboon ist Start- und Endpunkt ihrer nächtlichen Touren, bei denen sie im Haus herumspringen und uns in unserem Bett beschnuppern. An Schlafen ist nicht zu denken.
Bei der nächsten Gelegenheit erzähle ich dem Besitzer davon und will wissen, ob die kleinen Primaten Krankheiten übertragen können. Er ist jedoch regelrecht begeistert von unseren Mitbewohnern und empfiehlt mir: »Enjoy!«
© Nina Waldkirch 2021-03-12