Erichs Lampenladen

Katja van der Trappen

von Katja van der Trappen

Story

1985 hatten meine Eltern eine Wohnung in der Leipziger Straße in Berlin-Mitte bekommen, so dass wir aus dem Beton-Ghetto Berlin-Hohenschönhausen auszogen, worüber ich als 14-jähres Pubertier überhaupt nicht begeistert war, wurde ich doch damit aus meinem mir vertrauten Umfeld herausgerissen.

Da aber in der Nachbarwohnung ein Mädel aus meiner neuen Klasse wohnte, fand ich relativ schnell einen Anschluss zu den Leuten in meiner neuen Heimat. Die Raucherecke vor dem Schulgebäude bot sich dafür ebenfalls an, weshalb sie auch täglich von mir besucht wurde.

Meine Nachbarin war auch Mitglied in der sogenannten Palast-Clique. Das war ein bunt zusammengewürfelter Haufen Jugendlicher aus allen möglichen Ecken Ost-Berlins, die sich nach der Schule auf den gepolsterten Möbeln im Palast der Republik am Alexanderplatz rumlümmelten und sich auch nicht selten irgendwelche blöden Streiche einfielen ließen, weshalb es hier und da für den einen oder anderen Palastverbot gab. Ich bin nie dahinter gekommen, wie das kontrolliert wurde, wollte es aber auch nicht ausprobieren.

Im Volksmund wurde der Palast der Republik auch “Erichs Lampenladen” genannt, und zwar nach unserem Staatsoberhaupt Erich Honecker und weil das große Foyer vollgestopft war mit unzähligen runden Lampen, die wie leuchtende Luftblasen in einem Aquarium aussahen.

Natürlich war dieser Palast ein Anziehungspunkt für sämtliche Touristen aus dem In- und Ausland, sollte er doch den Wohlstand unserer Deutschen Demokratischen Republik repräsentieren.

Ein großer Teil der dort anzutreffenden Touristen bestand aus Schulklassen aus dem westlichen Teil der Stadt. Für einen Ausflug nach Ost-Berlin mussten die Besucher aus der BRD und West-Berlin einen Betrag von 25 DM 1:1 in Ost-Mark umtauschen. Bei dem seinerzeitigen knappen Warenangebot in der DDR und den niedrigen Preisen kam es oft dazu, dass ein Besucher es nicht schaffte, dieses Geld an einem Tag auszugeben. Das polsterte von Zeit zu Zeit unser Taschengeld auf, denn einige Touristen verschenkten ihre restlichen DDR-Alu-Taler lieber, als sie wieder mit nach Hause zu nehmen.

Hin und wieder kam man mit einigen Besuchern auch mal ins Gespräch. Meistens fing es mit einer Frage nach dem Weg an. In einem Überwachungsstaat wie der DDR wusste man ja nie so genau, wo gerade wieder Augen und Ohren der Stasi hinsahen oder -hörten. Als sich in einem solchen Gespräch herausstellte, dass ich aus dem Ostteil der Stadt bin, sah mich mein Gegenüber ungläubig an und meinte, dass ich gar nicht wie ein “Ossi” aussehen würde. Daraufhin sah ich ihn überrascht an. Wie sieht denn ein “Ossi” aus? Offensichtlich gab es die Vorstellung, dass wir alle die gleichen grauen Klamotten tragen würden und den gleichen Haarschnitt hätten. Nun, ich konnte ihn eines Besseren belehren.

Wenn ich jedoch heute Bilder aus dieser Vergangenheit betrachte, dann war wirklich vieles Grau in Grau, auch wenn es keine Schwarz-Weiß-Bilder sind.

© Katja van der Trappen 2022-01-22

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