Erlöse uns von den Schwulen?

Kurt Mikula

von Kurt Mikula

Story

Meine Mutter hat mich reichlich gesegnet. Unser Weihwasserkessel, direkt neben der Haustüre, war nie ausgetrocknet. Wenn ich das Haus verließ, gab es immer drei nasse Kreuzerl auf die Stirn. Speisen segnete meine Mutter auch selbst. Bei größerem Segensbedarf gab es Verstärkung durch die Franziskanerpatres aus Bregenz. Sie segneten meine erste Gitarre und mein erstes Fahrrad. Ein knallgelbes Drei-Gang-KTM. Ich hatte es mir selbst zusammengespart und durfte es mir dann zu meinem zwölften Geburtstag kaufen. Ich war so stolz darauf.

Später beim Bundesherr segnete der Militärpfarrer meine Waffe. Auch Panzer und Kampfhubschrauber wurden gesegnet. Von den katholischen Würdenträgern wurde so ziemlich alles gesegnet. Nicht nur Eier oder österliches Schweinefleisch. Auch Feuerwehrfahrzeuge, Motorräder, Firmengebäude, Hotels, Gondelbahnen, Bergstationen, Weihnachtskrippen und Haustiere.

Darum verstehe ich nicht, warum der Vatikan homosexuellen Beziehungen seinen Segen verweigert. Da war wohl das Motto “Vorwärts ins Mittelalter” das Leitmotiv. Vor allem die Begründung der römischen Glaubenskongregation stößt mir sauer auf. Denn da hieß es, dass gleichgeschlechtliche Verbindungen nicht “den Plänen Gottes” entsprechen würden. Ich frage mich, wer da wohl der vatikanische Spion war, der hier mit Gott im Sandkasten spielte, um in die Kenntnisse seiner Pläne zu gelangen?

Eine Woche nach der Verkündigung Roms kam die unübersehbare Antwort aus meiner Heimatpfarre. Vor der Kirche in Hard wurde eine Regenbogenfahne gehisst. An der Kirchentür und in der Kirche prangte ebenfalls das farbenfrohe Symbol. Dazu die herzliche Einladung zum Sonntagsgottesdienst mit dem Thema: “Das kann nicht Gottes Wille sein.”

Auch das Infomail der österreichischen “Pfarrer-Initiative”, der mehr als 350 Mitglieder aus den Reihen der römisch-katholischen Amtskirche angehören, ließ nicht lange auf sich warten: „Wir segnen auch weiterhin gleichgeschlechtliche Paare.“ Respekt.

Ich glaube auch nicht, dass der Wert der Ehe zwischen Mann und Frau gesteigert wird, indem man andere Formen des Zusammenlebens abwertet. Vielleicht hat die katholische Kirche auch nur Angst, dass das vatikanische Kartenhaus der Doppelmoral in sich zusammenfallen könnte. Angeblich sind zwei Drittel der Kirchenmänner selbst homosexuell. Und mit dem Zölibat nehmen es manche auch nicht so genau, wie dieser Witz veranschaulicht:

Zwei Pfarrer unter sich. “Was glaubst? Dürfen wir bald Lesben und Schwule segnen?” Kollege: “Ich glaube nicht, dass wir das noch erleben werden. Aber vielleicht unsere Kinder”.

Die Regenbogenfahne vor der Harder Kirche wurde in der Zwischenzeit abgefackelt. Das wird wohl nicht der vatikanische Spion gewesen sein. Es gibt noch viel zu tun!

Bild: Die Regenbogenfahne vor der Pfarrkirche in Hard (Fotos rechts) wurde angezündet (Foto links).

© Kurt Mikula 2021-03-29

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