Erste Freundin

Anna Pichler

von Anna Pichler

Story

Ich weiß nicht mehr, wie wir uns kennengelernt haben noch kann ich mich erinnern, wann es war, welche Jahreszeit oder Uhrzeit wir hatten und ob die Sonne schien oder es regnete.

Was ich aber weiß ist, dass wir uns auf Anhieb gut verstanden und jede freie Minute miteinander verbrachten. Das Praktische war ja, dass uns nur gut 20 Meter trennten. Euer Haus stand neben dem Unseren und wenn du nicht zu mir kamst, dann eilte ich eben zu dir.

An Regentagen verwandelten wir euer Wohnzimmer in eine Domino-Day-Arena. Bei Schönwetter kletterten wir auf Bäume oder besuchten die Nachbarin und veranstalteten mit ihren Schuhen eine Modenschau.

Einmal fanden wir einen verletzten Kuckuck und wollten in großziehen. Du warst der Papa und ich die Mama. Ständig haben wir schleimige Schnecken und eklige, sich windende Regenwürmer gesucht und sie dem Kuckuck mit einer Pinzette gefüttert. Leider war eine der Schnecken zu groß und unser Zieh-Kind erstickte. Tagelang hast du die Sonnenbrille nicht mehr abgenommen, damit niemand die verweinten Augen sah. Wir haben ihn in eine Paprikaschachtel gelegt und beerdigt. Sogar ein Kreuz haben wir gebastelt und regelmäßig die Blumen ausgewechselt.

Im Winter haben wir waghalsige Sprungschanzen gebaut und Schneeballschlachten veranstaltet, bis wir durchnass waren und vor lauter Zittern nicht mehr aus den Schianzügen kamen. Wir haben nur dank der Weihnachtskekse meiner Mutter so lange im Schnee durchgehalten. Im Frühling dann hat Mama die Kekskrümel aus den Taschen geputzt und uns geschimpft. Wirklich böse war sie uns deswegen aber nie und das wussten wir. Weswegen wir jeden Winter wieder unsere Taschen mit Kekse füllten und beim Iglu bauen davon naschten.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie oft wir uns vor meine Mutter auf die Knie warfen und um die Wette bettelten, damit ich bei dir übernachten durfte. Unser Ass im Ärmel war immer ein kleiner Trick. Meiner Mama sagten wir, dass deine Mama einverstanden sei und umgekehrt. Das hat jedes Mal geklappt. Wir waren eben gewiefter als die Erwachsenen.

Als alle eine Slackline bekamen, haben wir Stricke zwischen den Bäumen gespannt und stunden- nein tagelang sind wir hin und her balanciert – oder haben es zumindest probiert. Gefühlt haben wir uns wie echte Seiltänzer aus einem Zirkus und ausgesehen haben wir wohl eher wie ein Leiberl, dass im Wind von der Wäscheleine segelte.

Weißt du noch, wie viele blaue Flecken und aufgerissene Knie wir als Kinder davongetragen haben? Du warst beinahe immer dabei, wenn ich mir eine Schramme zugezogen habe. Ein paar Narben erinnern mich noch an die wilde Zeit damals, als wir noch Kinder waren. Auch heute noch haben wir so unsere Momente, wo das Kind in uns die Kontrolle übernimmt. Dann blödeln wir herum, attackieren uns gegenseitig mit Wasserbomben oder erklimmen, mit einem Nudelsieb auf dem Kopf den Hausberg vor der Almhütte. Diese Momente liebe ich, denn sie erinnern mich an unsere abenteuerliche Kindheit.

© Anna Pichler 2020-08-11

Hashtags