Es begann im Westen Frankreichs

Michael Schoberleitner

von Michael Schoberleitner

Story

Mein amerikanisches Au Pair Abenteuer sollte 2011 im französischen Rennes beginnen. Von der Schule ausgesandt, um in einem Austauschprogramm meine mäßigen Sprachkenntnisse zur Schau zu stellen, verliebte ich mich in den Duft der Ferne. Mein erstes Mal von zu Hause weg war gleichzeitig mein erster Schritt in den Flieger über den Atlantik. Es dauerte knapp zwei Wochen, bis ich das Erkunden der Welt liebgewonnen hatte und mir schon meine nächsten Ziele suchte. Meine Matura lag noch zehn Monate voraus, aber die Zeit danach würde ich schon jetzt ins Auge fassen. Lange Internetrecherchen brachten mich schließlich zu einer Au Pair Agentur, und bevor ich wieder in Österreich ankam, war die Bewerbung schon verschickt.

Ein männliches Au Pair? In der heutigen Zeit keine Seltenheit – Familien suchen oft nach männlichen Vorbildern und verantwortungsbewussten Spielgefährten. Im Februar 2012 begann die Suche nach einer Gastfamilie. In den kommenden Monaten sollte ich viele mögliche Kandidaten kennenlernen, richtig ernst wurde es aber nie. Von der alleinerziehenden Mutter in New York City, den gleichgeschlechtlichen Adoptiveltern in Nevada, der hippen Familie im Nobelvorort von Los Angeles bis hin zur tief religiösen Familie in Alabama war alles dabei. Die meisten Familien waren ebenso schnell, wie sie in meinem Suchprofil auftauchten, auch schon wieder weg – die Entscheidung lag schlussendlich bei ihnen. Ich nahm sogar ein Au Pair Video auf – eine kurze Vorstellung von mir und meinem Zuhause. Heute zähle ich diese vier Minuten zu den peinlichsten meines Lebens.

Erst im März wurde es spannend, denn eine vierköpfige Familie aus San Francisco wollte mehr von mir wissen. Emails führten zu Telefonaten und weiter zu Skype-Gesprächen. Ich war hin und weg, aber leider sollte es anders kommen. Kurz vor dem finalen Anruf lösten sie die Verbindung auf und verschwanden aus meinem Profil. Am Boden zerstört lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf die anstehende Matura, denn ohne einen Abschluss war auch kein Au Pair Programm möglich. Zwei Monate lang meldete sich niemand mehr bei mir.

Als die Prüfungen vorbei und bestanden waren, folgten ernüchternde Wochen. Ich hatte noch immer keine Gastfamilie. Erst gegen Ende Juni bekam ich die erhoffte E-Mail. Du hast ein Match! Eine Familie aus Washington DC meldete sich bei mir und wollte so bald wie möglich telefonieren. Das Gespräch mit der Gastmutter war großartig – wir redeten über mein Leben, ihr Leben, Österreich, Amerika, meine Ziege, die ihm Garten wohnte und ihren verfressenen Labrador. Die Chemie stimmte. Ihr zweijähriger Sohn hatte bereits ein österreichisches Au Pair, im September sollte gewechselt werden. Perfekt. Ich sagte ihr sofort zu – eine Woche später folgte die Bestätigung der Agentur. Ich war endlich vergeben. Das Ausreisedatum wurde auf den 17. September 2012 festgesetzt und die ersten Vorbereitungen begannen.

© Michael Schoberleitner 2020-04-24

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