Es ist der Tod

Alexander Weigl

von Alexander Weigl

Story
Geist

Ich sehe, ich fĂŒhle, ich lĂ€chle, als wĂ€re nichts. Und mit meinen leeren Augen starre ich dich an. Und sage dir, dass es mir gut geht. Okay, ĂŒberraschte es dich, DEN UMSTÄNDEN ENTSPRECHEND, NATÜRLICH, fĂŒgtest du hinzu. Ich hasse diese Phrase. Aber du konntest es nicht wissen. Du schriest sie mir ins Gesicht, spucktest sie mir auf die FĂŒĂŸe, mit deiner sanften, mitfĂŒhlenden Stimme. Und ich, befleckt von deiner RĂŒcksichtslosigkeit, machtlos im Angesicht deines Haufens Scheiße, den du auf mir abgeladen hast, lĂ€chle dich an, und schreie stumm.

Wieder hoffte ich, es gĂ€be ein Mittel zum Zweck, das mich betĂ€ubt, in fremde Welten entfĂŒhrt, mich nie wieder etwas anderes fĂŒhlen lĂ€sst als Unbeschwertheit. 

Just in diesem Moment landet dieser kleine Teufel in meinem Ohr, der flĂŒstert: „Aber, aber, das gibt es doch, mein Menschlein, das gibt es doch. Es gibt immer einen Ausweg, immer. Du weißt es ganz genau.


Es ist der Tod“ 

Gerade, als ich ihn verscheuchen will, als ich beginne, wild um mich zu schlagen und mich schĂŒttle wie von der Tarantel gebissen, um diesen widerlichen, kleinen Bastard loszuwerden, schreit er feuerspeiend: „Ist wohl zu stark fĂŒr dich, kleines Menschlein, hĂ€? Ich hĂ€tte es wissen mĂŒsse, hĂ€tte auf mein GefĂŒhl hören sollen. Der Tod ist eine Nummer zu Groß fĂŒr dich, ich wusste es schon, als ich dich zum ersten Mal sah. Vielleicht fangen wir kleiner an? Mit einem Joint? Und arbeiten uns langsam hoch zu den bewusstseinsverĂ€ndernden Halluzinogenen? FrĂŒher oder spĂ€ter beißt du ins Gras, das ist gewiss, aber warum nicht heute? Warum nicht high? Ich habe schon Dinge gesehen, unschönere Arten, zu sterben, sehr unschön. Du denkst an Schmerz, ich auch, aber in meiner Version stirbst du nicht daran, zumindest nicht sofort. Ich nehme dir nach und nach Teile deiner Seele, zerstĂŒckle deine Persönlichkeit, bis du nichts mehr bist, nichts mehr hast, niemand mehr da ist. Und das mache ich. Ich habe dich ausgewĂ€hlt, um dich zu zerstĂŒckeln“

„Bist du fertig?“, frage ich genervt.

GlubschĂ€ugig schaust du mich an. Dein Mund klappt auf, du willst etwas sagen. Doch die Worte verlangsamen sich auf ihrem Weg zu deinem Mund, bis sie schließlich auf deiner Zungenspitze liegenbleiben, gut lesbar fĂŒr mich. Stattdessen murmelst du ein leises: „Entschuldigung“. Unser GesprĂ€ch ist beendet, das fĂŒhle ich.

Ich sehe, ich fĂŒhle, zwinge mich noch einmal zu einem LĂ€cheln, bevor du dich umdrehst, damit du dich besser fĂŒhlst. Doch etwas ist gerade von mir abgebrochen, etwas, das nicht wieder anzukleben ist.

© Alexander Weigl 2024-09-01

Genres
Romane & ErzÀhlungen
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Emotional, Inspirierend, Traurig
Hashtags