Essen

Sarah Eckert

von Sarah Eckert

Story

Ich empfand eine tiefe Abneigung gegen das Essen. Schon der bloße Gedanke daran, Nahrung zu mir zu nehmen, löste in mir Ekel aus. Es fühlte sich an, als ob ich jeden Tag einen Kampf verlor, weil ich dazu gezwungen war, etwas zu essen. Der Gedanke an Mahlzeiten machte mich nervös und verunsicherte mich, als ob ich etwas Verwerfliches tat. Am schlimmsten war es, mit anderen zusammen am Tisch zu sitzen. Diese zwanghafte Beobachtung der anderen, wie sie begierig ihre Gabeln in das fettige Fleisch stießen und es in den Mund schoben. Das laute Schmatzen und das Kratzen des Bestecks auf den Tellern machte mich wahnsinnig. Es war, als würden diese Geräusche direkt in mein Gehirn eindringen, bei jedem Bissen lauter und unerträglicher werden. Der Lärm war so schmerzhaft, dass ich, sobald jemand am Tisch ein Besteckteil aufhob, gezwungen war, mir die Ohren zuzuhalten. Meine Mutter hatte mir sogar Ohrstöpsel besorgt. Manchmal war mein Hunger so stark, dass ich das Essen beinahe genießen konnte. Doch sobald das Verlangen nachließ, überkam mich der Ekel, und ich wollte am liebsten nichts mehr zu mir nehmen. Dieser ständige Wechsel zwischen Appetit und Abneigung war kaum auszuhalten. In meiner Therapiegruppe traf ich auf Menschen mit ähnlichen Schwierigkeiten. Die Teilnehmer wechselten oft, neue kamen hinzu, während andere die Gruppe verließen, weil sich ihr Zustand gebessert hatte. Was ich in der Therapie gelernt habe, ist, wie wichtig es ist, regelmäßig zu essen und sich nicht von Kalorienzahlen verrückt machen zu lassen. Es ist entscheidend, sich nichts zu verbieten und den eigenen Körper zu akzeptieren, denn jeder Körper hat seine eigene Schönheit. Es ist vollkommen in Ordnung, sich gelegentlich einen Burger, eine Portion Nudeln oder eine Schüssel Eis zu gönnen. Wir leben im Hier und Jetzt, und in vielen Jahren wird niemand an unserem Grab stehen und sagen: „Die war aber dick.“ Stattdessen werden sie sich daran erinnern, wie viel Freude sie mit uns hatten, wie wir unser Leben gelebt haben und welche Stärken, Schwächen und Charaktereigenschaften uns ausmachten. Mit Stolz kann ich sagen, dass ich eine derjenigen bin, die nach der nächsten Sitzung die Gruppe verlassen wird, weil ich es geschafft habe. Ich habe mich von meinen alten Essgewohnheiten befreit. Jeden Tag arbeite ich daran, alte Verhaltensmuster hinter mir zu lassen, die mich früher belastet haben, wie das übermäßige Kalorienzählen, das gelegentliche Auslassen von Mahlzeiten oder das ständige Überprüfen meines Körpers im Spiegel aber ich habe es geschafft.


© Sarah Eckert 2024-08-15

Genres
Romane & Erzählungen