von Gerhard Maier
Riesige weiße Sturmvögel mit kräftigen gelben Schnäbeln und schwarzen Flügelspitzen segeln vor dem Panoramafenster unserer Kajüte. Ein Zeichen, dass Land in der Nähe ist. Wir gehen an Deck, es bläst ein kräftiger Eiswind. Bald erspähen wir einen kleinen Leuchtturm auf einem Felsrücken, der sich im Nebel verliert. Ein kurzes Sonnenfenster gewährt uns einen Blick auf die steinige, unspektakuläre Küstenlandschaft Shetlands. Um Mitternacht werden wir auf den Färöern einlaufen und die Fähre verlassen.
Thorshavn/Färoya ist der Heimathafen der Norönna, die ganzjährig die Strecke Dänemark – Färöer – Island bedient. Schon auf dem Schiff bekommen wir einen Vorgeschmack auf den Wikingerflair der Inseln. Imposante raumhohe Schwarzweißaufnahmen vom Leben der alten Färinger zieren die Wände, es sind hunderte Fotos vom Gesellschaftsleben, Handwerk, Schafzucht, Fischfang, Seefahrt. Das höchstdekorierte Restaurant der Färöer, die „Munkastova“ befindet sich auf der Fähre. Hier ist es so anders als in Dänemark, man kann mit Bargeld zahlen, wahlweise mit Färöerkronen, Euro, Dänenkronen, Dollar, auf Wunsch sogar wechseln.
Das Abfahren von der Fähre geht ruckzuck, wie es schon beim Auffahren in Hirtshals/DK gewesen war. Es ist Mitternacht, die kleine Stadt Thorshavn ist aber noch putzmunter. Auch die Lobby in unserem Hotel Brandan, auffallend sind junge, schwarze Männer mit flotten Inuitgirls. Wir liegen bald im Bett, morgen müssen wir das gute Wetter nützen.
Die Hauptinseln der Färöer liegen brav wie Kekse in einer Schachtel nebeneinander, ihr regelmäßiger Abstand wird durch Nord-Süd-Kanäle und Fjorde gebildet. Diese Inseln sind durch Meerestunnels verbunden, die äußeren Inseln erreicht man mit Fähren.
Am ersten Morgen macht die Sonne den Anschein den Nebel durchdringen zu wollen. Wir befinden uns in einer grünen, nassen Landschaft, die von hohen Bergkämmen dominiert ist. Heute nehmen wir uns die Westinsel Vagar vor, sie ist nahe und hat viele Sehenswürdigkeiten. Im Gebirge fahren wir in den Meerestunnel nach Vagar ein, dieser ist hell neonfarbig ausgeleuchtet, Blau und Grüntöne dominieren, man fährt ja immerhin unter dem Ozean durch. Die anfallenden Mautgebühren können bis zu ein paar Tage später online bezahlt werden.
An der Küstenlinie Vagars reihen sich die Schmuckstücke: Das Fischerdorf Bour mit dicken Grasdächern und kreisförmigen Fischzuchtanlagen wird von pittoresken Felswächtern behütet. Der Wasserfall Gasadalur stürzt sich von der grünen Hochebene direkt in die wogende See.
Der See Leitisvatn lockt uns zu einer langen Wanderung. Wie eine Sichel zieht er sich kilometerweit zwischen einem Grasberg und der Steilküste dahin, um sich schließlich über Kasakaden ins Meer zu ergießen. Auffallend ist, dass die wenigen Wanderer, denen wir begegnen, allesamt Italiener sind – Ferragosto. Das Wetter hält an diesem Tag, es regnet nicht, aber auch die Sonne kommt selten durch den lichten Hochnebel.
© Gerhard Maier 2023-01-06