von Christine Kämmer
Glatze. Bomberjacke. Springerstiefel. Brutal sieht er aus, der Typ, der da neben mir im Plattenladen steht. Hoffentlich hat er den Aufnäher auf meinem Rucksack nicht gesehen: „Nazis raus!“, und ein Hakenkreuz im Mülleimer.
Nur weil so einer auch hier arbeitet, schmeiße ich den Job sicher nicht hin! Die Sommerferien sind noch lang und ich brauche das Geld. Also kralle ich mich am Klemmbrett fest und konzentriere mich auf meinen neuen Chef. Er erklärt dem Glatzentyp und mir, wie wir alle neuen CDs erfassen, etikettieren und einsortieren müssen.
Mittags lässt der Inhaber uns allein in seinem Laden. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie der Typ eine CD unter seinem Lonsdale-Pulli verschwinden lässt. Das ist meine Chance. Nachher werde ich ihn beim Chef verpetzen, dann bin ich ihn los. Andererseits … so jemand hat sicher eine Schlägertruppe. Was, wenn er mir nach der Arbeit auflauert?
Ich versuche, ihn nicht anzuschauen, und nehme eine CD vom Stapel. Die habe ich noch nicht. Ist gerade rausgekommen. Ob ich dafür Prozente kriege? Langsam kommt der Typ auf mich zu. Nur keine Angst zeigen. Einfach ganz lässig weiter die Songtitel auf dem Cover studieren. Der Chef kommt sicher gleich zurück.
Der Typ stellt sich neben mich. Er nimmt mir die Punk-CD aus der Hand und liest vor: „Bad Religion. Generator.“
Ich schweige und starre auf meine ausgelatschten Chucks. Wenigstens könnte ich damit schnell wegrennen.
„Soll ich uns die brennen?“ Er wartet meine Antwort nicht ab. Grinsend steckt er die CD in seinen Hosenbund. „Morgen bringe ich sie wieder zurück. Dann wird sie inventarisiert. Fällt garantiert nicht auf!“
Zum ersten Mal traue ich mich, ihm in die Augen zu sehen. Grün sind sie, und sie funkeln schelmisch. Auf seiner Oberlippe wächst Flaum und er hat kleine Pickel auf den Wangen.
„Sascha.“ Er streckt mir seine Hand hin. Da sehe ich den Anstecker am Kragen seiner Bomberjacke.
„Skins gegen Nazis.“ Und eine Faust, die ein Hakenkreuz zerschlägt.
© Christine Kämmer 2023-01-23