Flugameisen- und Schwiegermutter-Alarm

Story

Ich weiß nicht, was schlimmer war. Ich habe noch zu wenig zeitliche und emotionale Distanz zu diesen beiden Ereignissen, die sich vor kurzem zutrugen und überschnitten. Am Vortag hatte ich bis gegen Mitternacht noch Flugameisen gejagt. In der Fachsprache heißen diese Flugtage Ameisen-Hochzeitsflug. Bisher wurde der jedes Jahr auf der obersten Stufe der Stiege zu unserem Hauseingang abgefeiert. Diesmal, wahrscheinlich aufgrund des Klimawandels, drängte die Hochzeitsgesellschaft ins kühle Haus. Und vielleicht war eine neue Wedding Planerin am Werk.

Ich ging ins Bett. Schaltete das Licht aus, dachte an die diversen Flugschneisen und Routen. Ob die Ameisen auch den Luftraum über meinem Bett im Programm hatten. Dann machte ich das Licht wieder an. Prompt landete so ein Viech auf meinem verschwitzten Körper, der sich nicht entschließen konnte, bei 30 Grad im Nachtschatten unter der Tuchent zu bleiben. Mehrmals stand ich auf zu einem Kontrollgang. Und entdeckte immer in irgendeinem Winkel eine Großfamilie, die sich gerade am Check-in versammelt hatte. Ich versuchte, nicht hysterisch zu werden. Es gelang halbwegs. Nachtruhe stellte sich allerdings keine ein.

Am nächsten Mittag war Geburtstagsnachfeier angesagt. Großfamilie inklusive Urli-Oma. Ab halb eins sollten die Backhendln einfliegen. Zeit genug also, den Garten von Wildwuchs zu befreien, eine schnelle Staubsaugerbegehung anzusetzen, kurzum, Haus und Garten Schwiegermutter- und Schwägerin-tauglich zu machen.

Wir saßen gemütlich beim Frühstück gegen 10 Uhr. Noch 2 Stunden Zeit. Da klingelte es. Bitte jetzt nicht das sein, was ich glaube, dass es ist! Es war. Die beiden standen putzmunter vor der Tür, trotz über einer Stunde Anreise. Nun weiß mittlerweile jede/r, zum Leidwesen meiner langjährigen flüchtigen Paddelbekanntschaft, wirklich jede/r, ob er sie es wissen will oder nicht, dass ich eine Langschläferin, eine Lafmütze bzw. Safmütze (4-jährige Zwillingsenkerl-Ausdruck) bin. Aber die Schwiemu weiß noch nichts von meinem Defekt. Bzw. ich glaube, sie weiß es längst und hat sich vielleicht ein bisschen gefreut über diese ziemlich einzigartige Gelegenheit, mich einmal mitten in der Nacht aus dem Schlaf zu reißen und so richtig in Stress zu versetzen.

Das hieß also, die 2 Stunden, die ich für die Säuberungsaktion inklusive Vernichtung der Flugameisen und Abtransport der Giftstoffe eingeplant hatte, plus Vorbereitung des Backhendlevents im Garten, diese 2 Stunden waren auf minus eine halbe zusammengeschmolzen. Aber GsD, mit 90 haben auch Schwiegermütter meistens nicht mehr die besten Augen und Ohren und es fehlt doch gelegentlich an der Übersicht. Das kam mir zugute. Und dass ich über 2 Männer im Haushalt verfüge, die in diesem Fall die Ablenkungsmanöver übernahmen und koordinierten. Der eine erzählte Schwänke, der andere setzte dann eine kurze Stadtrundfahrt an.

Und, was soll ich euch sagen, es wurde noch ein wirklich netter Nachmittag.

© 2021-07-09

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