von Jürgen Heimlich
Künstlerinnen und Künstler waren und sind inspiriert vom Wiener Prater, was sich auch in deren Werken niederschlägt. Schnitzlers „Leutnant Gustl“ sitzt auf einer Bank in der Prater Hauptallee und überlegt, ob er Suizid begehen soll. Felix Salten hat mit seinem Werk „Wurstelprater“ im Jahre 1911 gemeinsam mit dem Fotografen Emil Mayer eine anschauliche Text-Bild-Reise durch den Vergnügungspark geschaffen. Tina Blau, Landschaftsmalerin, deren Geburtsname eigentlich Regina Leopoldine Blau war, schuf zahlreiche Gemälde mit dem Prater als Sujet. Herausragend hierbei ihr Hauptwerk „Frühling im Prater“. Das Gemälde ist 214 cm x 291 cm groß und ein Stimmungsbild, das den Prater als Erholungsraum zeigt.
Franz Kafka war wie Tina Blau jüdischer Herkunft. Einzigartig ist seine Abneigung gegen Wien. Er hat Wien als „absterbendes Riesendorf“ bezeichnet und war sicher nicht unglücklich darüber, dass nichts aus einem möglichen Zusatzstudium an der Hochschule für Welthandel in der Berggasse wurde. Dies zog er in Betracht, sollte er nach absolviertem Jus-Studium keine adäquate Anstellung in Prag finden. Doch das Schicksal ließ ihn in Prag verweilen, was für seine Entwicklung als Schriftsteller zweifellos sehr wichtig war.
Franz Kafka besuchte einige Male Wien. Er verbrachte etwa vier schöne Tage mit Milena Jesenska in der Metropole. Jahre vorher, im September 1913, also kurz nach seinem 30. Geburtstag, war er aus beruflichen Gründen in Wien. Er war Gast des II. Internationalen Kongresses für Rettungswesen und Unfallverhütung im Parlament. Er nahm auch die Möglichkeit in Anspruch, dem zu dieser Zeit im Musikverein stattfindenden XI. Zionistenkongress die Ehre zu geben. Und er entschloss sich zu einem Ausflug mit Freunden in den Prater.
Ein Foto zeigt Kafka in einer Flugzeugattrappe gemeinsam mit Albert Ehrenstein, Lise Weltsch und Otto Pick. Die Perspektive vermittelt den Eindruck, als würde das Flugzeug über dem Prater schweben. Das Riesenrad ist deutlich erkennbar. Es ist gut vorstellbar, dass er einige Vergnügungen ausprobierte und auch eine Runde mit dem Riesenrad gefahren ist. Franz Kafka wird den Charme des Praters verspürt haben. Der Prater ist ja eine Welt für sich; als sensibler Mensch hat er sicher das Ambiente auf sich wirken lassen.
Franz Kafka hat nicht jedes Detail aus seinem Leben in seine Tagebücher eingetragen. Wir wissen viel über ihn, doch es wird auch viel spekuliert. Er hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor und konnte das Leben genießen. Diese Aspekte mögen dazu Anlass geben zu vermuten, dass er mit Freude den Prater erkundete und dort angenehme Stunden verbrachte. Kafka litt nicht nur am Leben wie wir alle, sondern liebte das Leben auch. Hätte er sonst kurz vor seinem Tod noch daran zurückgedacht, wie ihm Bier schon als Knabe schmeckte? Vielleicht hat ihn der Prater inspiriert, aber auf alle Fälle im Herzen erfreut. Jedenfalls schmunzelt er auf dem Foto.
© Jürgen Heimlich 2021-02-11