Freude – Aus Sicht eines Avocado Kerns

Zurzeit stehe ich auf einer Fensterbank in einem Zimmer einer Wohnung in Salzburg und genieße jeden Tag das Licht, das durch das Fenster auf mich scheint und das Wasser, das mir gegeben wird, wenn ich welches benötige. An manchen Tagen werde ich mit einem Wasserbestäuber angesprüht und den Rest der Zeit protze ich aufgrund meines saftigen Grüns und meinen vielen Blättern.

Wenn es eine Sache gibt, die mich in meiner Lebenslaufbahn begleitet hat, dann ist das die Freude, denn es passierten nur Sachen, die gut für mich waren.

Meine Geschichte beginnt auf einem Baum in Peru, wo ich zu einer makellosen Avocado heranwuchs. Als ich mit meiner Größe in die Norm passte, wurde ich geerntet und in einen Supermarkt in Salzburg transportiert. Dort lag ich zwischen anderen Gemüsesorten und wartete darauf, gekauft zu werden. Später an diesem Tag war es dann so weit, jemand hat mich mitgenommen. Nachdem ich vom Supermarkt weggefahren wurde und an einem fremden Ort angekommen bin, lag ich eine Zeit lang in einem Korb umgeben von Karotten, Zucchini und Kartoffeln.

Eines Tages wurde ich dann aus dem Korb genommen, in die Küche gebracht und auf ein Schneidebrett gelegt. Dort wurde ich aufgeschnitten und von meiner Schale und meinem Fruchtfleisch getrennt. Ich, der Avocado Kern, wurde abgewaschen, auf Zahnstocher aufgestochen und in ein Glas mit Wasser gehängt. Ich muss zugeben, dass dies der einzige Moment in meinem Leben war, an dem ich nicht grenzlos fröhlich war, da ich noch nie von Schale und Fruchtfleisch getrennt war.

In den ersten Wochen wusste ich nicht, wie ich mit meiner neuen Situation umgehen sollte, doch irgendwann habe ich die Chance erkannt, Wurzeln bilden zu können. Also habe ich nach unten Wurzeln wachsen lassen, die von Zeit zu Zeit kräftiger wurden. Später habe ich einen gesunden Trieb aus meinem oberen Ende wachsen lassen und ihn anschließend mit Blättern verziert.

Nach dieser Zeit meiner Entwicklung wurde ich in einen Topf mit Lecca gepflanzt und anschließend mit ausreichend Wasser versorgt. Dort fühlte ich mich vom ersten Moment an wohl. Ich genoss meine neue Umgebung und spürte die neue Energie, die ich daraus schöpfen konnte. Und so wuchs ich heran zu der Pflanze, die ich heute bin. Ich habe nie aufgehört, neue Blätter wachsen zu lassen und mich generell zu vergrößern. Mein Leben ist wirklich schön, ich genieße seit Anfang an jeden Augenblick und werde noch lange ein fröhliches Leben in meinem Topf und auf meiner Fensterbank führen.