Freundschaft in schwarz-weiß

Elisabeth Otto

von Elisabeth Otto

Story

„Nun hör‘ endlich auf, die Sonnenblume anzufressen!“, bellt es plötzlich hinter mir. „Deinetwegen bekommen wir nur wieder Ärger.“ Notgedrungen unterbreche ich mein Festmahl und drehe mich genervt um. Ich blicke in die großen braunen Augen meines Freundes. Er hechelt aufgeregt und sein warmer Atem weht mir ins Gesicht. „Nun fahr dich mal wieder runter Kumpel, du bist auch nicht mehr der Jüngste“, erinnere ich ihn. Nicht, dass der noch einen Herzinfarkt bekommt. „Ich beiße doch immer nur kleine Stücke ab und außerdem kann mich bei diesem Aroma einfach nicht beherrschen.“

Ich betrachte den Topf mit frischem Katzengras, der zusätzlich auf der Fensterbank platziert wurde und die frische Katzenminze, die draußen auf dem Balkon aus mehreren Kübeln sprießt. Nett, aber alles kein Vergleich zu dieser leckeren Sonnenblume, die mein Frauchen letztens angeschleppt hat. Ich versuche, es immer so aussehen zu lassen, als ob Mike der Übeltäter gewesen wäre, aber das war bisher von wenig Erfolg gekrönt. Klar, der Köter ist ja auch so doof und wartet geduldig auf seine vorgeschriebenen Mahlzeiten, wohingegen ich ganz genau weiß, wo welches Futter versteckt wird und wo sämtliche Leckerli aufbewahrt werden. Außerdem kann ein bisschen Abwechslung auf der Speisekarte auch nicht schaden.

„Na gut, dann mach doch, was du willst!“, sagt der weiße Labrador und schüttelt genervt den Kopf. „Mir ist das hier draußen sowieso zu warm.“ Gemächlich trabt er von dannen, zurück ins kühle Wohnzimmer.

Ich bin erst vor ein paar Monaten hier eingezogen, habe die Zweibeiner aber schon ganz gut erzogen. Und dadurch, dass ich nicht das einzige Haustier bin, habe ich immer jemanden, den ich als Übeltäter denunzieren kann.

Langsam werde ich der Sonnenblume überdrüssig. Vielleicht sollte ich mal reingehen und nach dem Hund schauen. Nicht, dass der noch irgendwas Dummes anstellt. Ich stecke den Kopf durch die Tür und erblicke plötzlich hinten auf der Küchenzeile die Tüte mit meinen Leckerlis. Offensichtlich haben die Dosenöffner heute Morgen vergessen, diese wieder sicher im Schrank zu verstauen.

Genau in diesem Moment brennen bei mir alle Synapsen durch und meine niederen Instinkte gewinnen die Oberhand. Ich sause los, wie von der Tarantel gestochen, renne über Tische, Schränke und alles, was mir in die Quere kommt. Mit einem anmutigen Satz springe ich über den Köter, der dösend auf seiner Decke liegt. Bei der Tüte mit den Leckerlis angekommen, betrachte ich die Spur der Verwüstung, die sich durch das Wohnzimmer zieht.

„Pass doch auf, du Trampel“, fährt mich der Hund an. Er dreht den Kopf zur Seite, legt sich wieder hin und sagt in einem versöhnlichen Tonfall: „Aber egal, die Menschen wissen sowieso, wer von uns beiden dafür verantwortlich ist.“

Ob er sich da nicht zu früh freut? Ich grinse verschmitzt und schlage mir erstmal genüsslich den Bauch voll.

© Elisabeth Otto 2024-10-25

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Komisch, Unbeschwert, Entspannend