von Svenja Pilger
02:38 Uhr – Damentoilette im Club
Besser gesagt in der Schlange vor der Toilette. Ob ich meine Freunde auf der Tanzfläche wiederfinden werde? Unwahrscheinlich. Zwischen Raucherpausen, dem Wechseln der Floors und Gesprächen mit irgendwelchen Fremden, werden sie vergessen haben, dass ich auf die Toilette gegangen (oder besser gesagt: getaumelt) bin. Es sind noch ca. 6 Frauen vor mir, als ich aus der Ferne den Bass dröhnen und die Menge schreien höre. Natürlich – der DJ hat gerade mein Lieblingslied angespielt.
Während ich in der Warteschlange für die Toilette stehe, meine Gedanken kaum ordnen kann, frage ich mich, wie es mal wieder so weit kommen konnte. Wollte ich heute nicht eigentlich „langsam“ machen? Plan war es doch, sich auf 1-2 Feierabendbierchen zu treffen. Ich muss lächeln: „Feierabendbierchen“, ein Wort, mit dem meine Freunde und ich uns nur all‘ zu gerne selbst austricksen. Als würden wir nicht wissen, dass es immer wieder gleich läuft: Am Ende des Abends, so gegen 5 Uhr morgens, taumeln wir nach Hause, versprechen uns gegenseitig in die Whatsapp-Gruppe zu schreiben, wenn wir sicher daheim sind – was natürlich jeder vergisst – und wachen am nächsten Tag mit Kater auf. Der Samstag ist dann erst mal im Eimer, manchmal im wörtlichen und übertragenden Sinn.
02:49 Uhr, noch 3 Frauen vor mir, mein Lieblingslied ist vorbei
Ich versuche mich zu erinnern, wie viele Getränke ich bereits intus habe, während ich ungeduldig von einem Fuß auf den nächsten wackle. Der Typ, der sich 5 min nach mir angestellt hat, kommt gerade erleichtert aus der Herren-Toilette zurück. Ich mahne mich selbst zur Konzentration. Da waren mindestens 5 Bier und ein paar Shots beim Vorglühen, im Club gab es einen Willkommensshot, dann „vernünftigerweise“ nur noch Mixery, damit man nicht zu betrunken wird. „Ja nee ist klar“, denke ich und könnte mir vor lauter Blödheit selbst gegen den Kopf schnippen. Vermutlich würde ich in meinem Zustand jedoch die Stirn verfehlen.
02:58 Uhr, die Toilette ist frei
Urgh, ekelhaft. Im fliegenden Sitz erledige ich mein Geschäft. Wie immer merkt man erst in diesem Moment, wie betrunken man tatsächlich ist und ich halte mich zur Sicherheit am Türgriff der viel zu kleinen Toilettenkabine fest. „FOMO“ schießt mir durch den Kopf. Fear of missing out (dt. „Angst etwas zu verpassen“). Der Grund, weshalb ich hier bin, doch eigentlich nur eine glamourösere Bezeichnung dafür, dass man sich mit 25 blöd vorkommt, daheim auf der Couch zu liegen, während seine Freunde – in der Vorstellung – aufregende Nächte in Clubs verbringen. Doch während ich mich verzweifelt und vergebens nach Toilettenpapier umschaue, erscheint mir die Vorstellung, daheim geblieben zu sein, wirklich glamouröser.
Zurück auf der Tanzfläche schaue ich mich nach meinen Freunden um, ich entdecke meinen besten Freund, er drückt mir ein Bier in die Hand. „Alles okay?“, brüllt er mich an. Ich symbolisiere ihm mit einem Nicken, dass alles gut ist. Ich schaue in die tanzende Menge und ermahne mich Spaß zu haben. Ist das bereits der Anfang vom Ende meiner Clubzeit?
© Svenja Pilger 2023-06-27