von SusiBock
Meine Mama, sie hat es getan. Ganz ohne mich, den Tattoo-Solitär in unserer Familie. Oft haben wir darüber geredet und ich fand es wirklich toll, dass sie das mit 78 Jahren machen möchte. Aber da war Corona und irgendwie war es dann doch nicht so dringend – für mich. Aber nicht für meine Mutter. Sobald die körpernahen Dienstleister nun wieder aufsperren durften, war sie dort. Mit der Bankomatkarte meines verstorbenen Vaters und seiner Unterschrift darauf. Die Fanni von Westend Tattoo hat es perfekt umgesetzt. Sieht aus, als hätte mein Papa auf der Hand meiner Mama gerade eben mit dem Fineliner seinen Vornamen geschrieben: „Franz“. Die Fanni hat dann noch ein Herz dazugesetzt. Sehr schön!
Ich bin dermaßen stolz, ich kann es gar nicht laut genug sagen. Und deshalb schreibe ich diese Story.
Als ich vor mehr als 25 Jahren mein erstes Tattoo bekam, hat meine Oma – die Mama meiner Mama – sehr lange nicht mit mir geredet, denn sowas machen nur Häfenbrüder (und -schwestern, die aber eher selten waren, damals) und überhaupt, wie man seinen Körper nur so entstellen kann. Sie konnte ihren Boykott allerdings nicht lange durchhalten, nachdem Tattoos bald so normal wie Ohrringe und später Nasenringe oder Nabelpiercings geworden waren und ich schließlich doch ihr Lieblingsenkerl war. Die Zeit heilt eben alle Wunden, auch die vom Tätowieren.
Mich würde aber doch sehr interessieren, wie die Oma nun also über das Tattoo meiner Mama, ihrer Tochter, denkt. Vielleicht sitzt sie ja gerade mit meinem Papa auf der Wolke sieben, nippt an ihrem Likör und sagt: „Franzl, was is denn jetzt in die Silvi gefahren, dass sie sowas macht?!“ Der Papa sinniert kurz, lächelt und macht einen tiefen Schluck von seinem Bier: „Na, was denn, der Heilige Geist. Ich bin ja nicht mehr da.“ Und da lachen sie beide, prosten einander zu und denken an uns. Ein schöner Gedanke.
Über den Heiligen Geist können wir streiten, doch über eines nicht: Papa, du bist noch da, genauso wie die Oma, in unseren Herzen und unseren Gedanken. Und Mama, ich bin so stolz auf dich. Und nicht nur, weil du jetzt ein Tattoo hast (huch!), sondern weil du stark bist, immer schon gewesen, und jetzt, wo Papa nicht mehr da ist, umso mehr. Er wäre genauso stolz auf dich wie ich und Oma und alle, die dich genauso in ihr Herz geschlossen haben.
Ich verneige mich vor dir und ziehe den imaginären Hut: Chapeau!
© SusiBock 2021-05-17