von Marianna Vogt
Ich lief freudig durchs Quartier und entfernte die zahlreichen Plakate. So manch Einer sprach mich an und wollte wissen, ob es ein Happy End gegeben hatte. Die einen wollten wissen, wo wir Giacomo gefunden haben. Andere interessierte seine ganze Lebensgeschichte. Bereitwillig und auch ein bisschen stolz gab ich über Giacomos Leben Auskunft.Giacomo war nun wohl der V.I.P im Quartier!
Giacomo erholte sich erstaunlich schnell von den vergangenen Strapazen und erfreute uns täglich mit seinem sonnigen Gemüt und seinen Streichen.Es bedurfte einige Bäder, bis Giacomos moosgrüner Bauch wieder taubengrau war!
Langsam kehrte wieder Ruhe in das turbulente Leben ein.Ich war am Staubsaugen und Giacomo stand, wie meistens gurrend auf dem Schlitten. Kurzentschlossen entschied ich den Treppenflur gleich mitzusaugen.Auf derselben Etage wohnte eine Dame mittleren Alters. Ich wusste, dass sie eine Katzennärrin war und selbst auch welche hatte.Da das Staubsaugerkabel zu wenig lang war, musste ich es umstecken auf eine Steckdose, welche sich näher bei der Türe befand. Als ich zurückkam und weiter saugen wollte, blieb mir fast der Atem stehen.Ich sah ein Knäuel schwarz-weiss gefleckte Katzenbabies und mittendrin, freudig tänzelnd Giacomo. Alle Katzenaugen waren auf ihn gerichtet und die erste schnupperte bereits vorsichtig an ihm.Hysterisch rief ich seinen Namen. Sofort flog er auf meine Schulter, schliesslich war er gut erzogen und gehorchte aufs Wort.Aufgeschreckt von meinem Hilfeschrei streckte die Nachbarin den Kopf zur Türe raus und sagte, schmunzelt: «Ach, meine jungen Katzen hätten ihre Taube bestimmt nichts angetan, sie sind ja noch so klein, die wollten nur spielen!»Ab dann, hatte Giacomo «Flurverbot», denn diese Situation wollte ich nicht noch einmal erleben.
Zwischenzeitlich hatte Giacomo eine neue Macke.Sonntagmorgen blieben wir meist länger im Bett, dies passte ihm überhaupt nicht ins Konzept. Er wollte nicht auf sein Frühstück warten. So kam er in unser Schlafzimmer. Er wusste, Möbel – dazu gehörte auch das Bett, erobern – war nicht erlaubt. So stand er am Boden meiner Bettseite und hielt ein «Gurrständchen». Wenn ich nicht reagierte, raste er mit vollem Tempo über meine Adiletten. Das Geräusch seiner Fussnägel und das Plastik der Sandalen ergab ein Fortissimo, welches nicht zu überhören war.Giacomo hatte den Battle gewonnen.Ich stand auf und lief in die Küche, wo ich sein Futter aufbewahrte. Giacomo lief gurrend vor mir, versicherte sich jedoch ein paar Mal, ob ich ihm auch tatsächlich folgte, indem er kurz stehen blieb und zu mir hochblickte. Ich füllte sein Schälchen mit frischen Kernen und die Welt war morgens um sieben wieder in Ordnung!Manchmal gab es Sonntage, da hätte ich Giacomo auf den Mond schiessen können, aber mit seinen mittlerweile zwanzig Jahren konnte ich ihm einfach nicht böse sein.
Fortsetzung folgt…
© Marianna Vogt 2021-04-30