Good bye Angora!

Gutilein

von Gutilein

Story

Der wunderschöne, schneeweiße Angora-Hase meines Nachbarn hat es meinem Hund angetan. Er wohnt normal in einem Hasenstall, aber ab und zu darf er den gesamten Garten des Nachbarn nutzen und dort nach Grünzeug suchen. Das gefällt dem majestätischem Tier und dann hoppelt er den Zaun entlang und erfreut sich seines Lebens in Freiheit.

Sehr zur Freude meines Hundes, dessen urinstinktiver Jagdtrieb erwacht, und der kläffend den Zaun entlangjagt, um die vermeintliche Beute zu killen. Dieses schräge Schauspiel kann Stunden dauern und wird nur unterbrochen, wenn der Nachbarn seinen „Willi“ wieder einsperrt oder ich den Hund vom Garten ins Haus verbanne, weil ich das Gekeife nicht aushalte.

Wir wohnen Garten an Garten und am Ende unserer Gärten beginnen die Felder. Wenn ich also durch meinen Garten gehe, dann stehe ich auf einem Feldweg und dahinter befindet sich nur Landschaft. Ein Paradies für mich und meinen Hund. Quer durch den Garten und schon sind wir im Gelände und dort gehe ich täglich mit ihm spazieren, weil er doch seinen Auslauf braucht. Oft mache ich ihm nur die Gartentür auf und er darf eine Weile draußen allein herumstreunen und die Gegend nach Geruchspuren anderer Artgenossen absuchen.

So auch an jenem Mittwoch Nachmittag, als er draußen unterwegs war. Ich war am Kochen, als er plötzlich bellend vor der Eingangstür stand. Beim Öffnen dieser traf mich fast der Schlag! Im Maul hatte er den wunderschönen, weißen und toten Angora-Hasen. Der Hase war voller Dreck, Erde und Speichel meines Hundes. Es war ein Drama!

Dazu muss ich sagen, dass mein Nachbar mich schon öfter gewarnt hatte, ja aufzupassen, dass sich mein Hund nicht mal durch den Zaun durchgräbt, wenn der Hase draußen ist. Was mir unwahrscheinlich erschien, da ich meinen Hund nicht für so intelligent gehalten hatte. Wie konnte ich mich so irren?

Jetzt stand der Hund da, voller Stolz den toten Hasen im Maul. Ich überlegte kurz und dann kam mir die rettende Idee: Ich nahm also das verdreckte, tote Tier, packte es in die Badewanne und shamponierte ihn gründlich ein. Ordentlich gewaschen habe ich ihn mit dem Föhn getrocknet und dann gebürstet. Er sah praktisch aus wie neu!

Ich schlich in den Garten. Der Nachbar war offenbar nicht zu Hause. Ich kletterte über den Gartenzaun und legte den toten Hasen in seinen Hasenstall. Keiner sollte auf die Idee kommen, dass mein Hund so eine abscheuliche Tat vollbringen konnte. Schon gar nicht der Nachbar, mit dem ich wirklich ein sehr gutes Einvernehmen pflege.

Nach 2 Tagen treffe ich meinen Nachbarn im Supermarkt. Er sagt:“ Hallo Frau Nachbarin! Ich muss ihnen was erzählen: Mein Hase ist vor 4 Tagen gestorben. Ich habe ihn am Feld hinter dem Garten begraben. Unsere Kinder haben sehr geweint, und wir haben ihm eine angemessene Beerdigung organisiert. Gestern wollte ich seinen Stall reinigen, da lag er im Heu. Ich war total geschockt! Wie gibt’s das? Noch dazu roch er nach Kokos – als wär er auf Urlaub gewesen! Ich verstehe die Welt nicht mehr!“

© Gutilein 2019-12-29