Götter in Weiß

MISERANDVS

von MISERANDVS

Story

Als ich meine zwei Salben in der Apotheke abhole, geh ich irgendwie davon aus, dass die Magistra mir draufschreiben würde, wie ich die verwenden soll. Aber Pustekuchen! Die eine ist eine selbstgemischte, die andere eine vom Pharma-Riesen. Und nun? Vom Medicus im Klinikum hab ich dazu auch nichts mitbekommen. Bestimmt hat er es mir erklärt – Aber, hey! – Ich bin Mitte 40, und damit so gut wie dement. Also ruf ich am nächsten Tag im Klinikum an. Und ich erklär der Mamsell am Telefon mein Dilemma. Sie fragt mich, was ich denn bekommen hätte. Also les ich ihr den Namen auf der Packung vor. Das Etikett auf der Selbstgeschmiedeten wird schon eine Herausforderung. Nicht nur, weil ich langsam schaßaugert werd, sondern weil meine Hände immer noch zittern wie nicht gescheit. Ich kneif die Augen zusammen, schieb die Tube vor meinen Augen hin und her, stammle bemüht den ersten Bestandteil, dessen Namen aus allen Buchstaben des Alphabets besteht, viele davon mehrfach in Verwendung. “Moment!”, sagt sie, dann hör ich sie nachfragen, während ich versuche, das verdammte Wort hinzubekommen. “Hallo?” “Ja.” “Das ist egal.” “Bitte?” “Na, das ist wurscht, welche Salbe sie wohin schmieren.” Ich stutze. “Also die eine ist doch für die OP-Wunde, und die andere gegen die Entzündung.”, wende ich ein.“ ”Das ist egal. Das ist derselbe Wirkstoff.“ Ich räuspere mich. “Ja, aber ich meine, der Doktor wird sich doch was dabei gedacht haben, wenn er mir zwei Salben aufgeschrieben hat…” “Derselbe Wirkstoff.”, wiederholt sie: “Nur in der einen Salbe ist er stärker dosiert.” Die Frage, wozu dann zwei Salben bleibt stehen und faktenbasiert, wie auch philosophisch betrachtet, unbeantwortet. Ich könnte diskutieren, könnte den Doc verlangen, der mich mit meiner Gewebeprobe schon auf eine Odyssee geschickt hat, doch ich hab keine Lust dazu. Eigentlich hab ich keine Kraft dazu, um ehrlich zu sein. “Verstehe.”, sage ich , bedank mich und lege auf.

In meinen dreißig Jahren Schmerzgeschichte hab ich ja schon viel erlebt mit den “Kitteln”, wie ich sie liebevoll nenne. Gute Leute dabei, keine Frage! Aber auch viel Ausschuss, mit dem man sich abg’fretten muss. Ich frag mich, ob andere Leute auch solche Erlebnisse haben wie ich. Gehen die anders damit um? Nehmen die schlechte Leistung von Kitteln wahr, oder ist das Wort eines Gottes in Weiß für sie schlichtweg ein Dogma? Ich hinterfrage, ich diskutiere, und wenn mir was nicht passt, dann maule ich lautstark. Ich lehne Ärzte ab, die mir nicht passen. Weil ich es kann. Weil’s mein Körper ist und mein Leben. Und weil der Kittel kein Gott, sondern ein Dienstleister ist, dem ich zwar seine menschlichen Schwächen zugestehe, aber von dem ich keine Schlamperei akzeptiere.

Ich schreib Alexander, meinem Neuro, meinem Freund. Er antwortet sofort: “Das eine ist eine Haftsalbe, die gehört auf die Zunge, die andere auf die Wunde.” So geht Auskennen! DAS ist ein Gott! Obschon er niemals einen Kittel trägt…

© MISERANDVS 2021-07-21

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