Handballtorwart

Weudl

von Weudl

Story

Als Torwart im Handball musst du echt verrückt sein. Warum? Ganz einfach erklärt: Deine Gegenspieler fetzen dir den harten Lederball aus (im besten Fall) 6m Distanz um die Ohren. Du stellst dich also in einen 2 mal 3 Meter großen Kasten nur damit du dich einem Ball entgegenwirfst und ihn nachher nicht aus deinem Netz holen musst. Du verrenkst dich bei deinen Paraden und wirfst dich ungebremst in den Spagat. Dabei kennt dein Gegner meist keine Gnade mit dir. Er hat kein Problem damit, dir die Lederfrucht über den Boden aufgesetzt in deine Eier zu dreschen und auch auf deinen gutaussehenden Kopf nimmt er keine Rücksicht. Die Nahtabdrücke eines Balles zieren deine Gesichtshälfte oder deinen Oberkörper. Je härter der Ball dich trifft, umso schöner kann man seine Konturen an deiner Haut erkennen. Ja, ein Handballgoalie, ist wirklich ein klein wenig verrückt.

Am Anfang werden die Neuen, ohne mit der Wimper zu zucken, ins Gehäuse gestellt. Man wirft sie ein und testet, ob sie Angst vor den Bällen haben. Laufen sie nicht, wie ein Huhn im Hendlstall von einem Pfosten zum Anderen, kann man versuchen mit ihnen weiterzuarbeiten. Man zeigt ihnen eine gewisse Grundtechnik und hofft, zumindest als Trainer, dass der Frischling im Spiel auch einmal vom Ball getroffen wird. Alles andere wäre beim ersten Mal ja schon fast ein Wunder. Als Torwart entwickelt man eine unglaubliche Leichtigkeit in Bezug auf Körpertreffer. Mit seiner masochistischen Ader frisst er Ball um Ball und hält seiner Deckung den Rücken frei. Er dirigiert von hinten seine Vordermänner und sagt ihnen, was sie nicht sehen.

Bekommst du ein Gurkerl wirst du von allen verhöhnt, hältst du einen 7m Versuch, wirst du von allen gefeiert. Der Job des Goalies ist frustrierend und gleichzeitig unglaublich erfüllend. Du kannst deine Gegenspieler mit deinen Paraden zum Heulen und Aufgeben bringen und im nächsten Atemzug durch deine Emotionen deine Mitspieler zum Sieg peitschen.

Am Anfang stand auch ich im Kasten zwischen den Pfosten und versuchte mich im Ballfressen. Meine Trainer bezichtigten mir Potenzial, also spielte ich die ersten Spiele meiner Karriere im Tor. Ein viel zu großes Otto Konrad Torwartdress zierte meinen 12jährigen Körper. Es hing mir einfach runter bis zu meinen Knien. Ich stellte definitiv die Definition von sexy dar. Meine Außenwirkung war mir komplett egal. Ich wollte einzig und allein diesen Ball daran hindern über meine Torlinie zu kommen. Ich muss zugeben, dass es mir Freude bereitete, die Bälle zu inhalieren.

Irgendwann kam dann ein schlauer Trainer zu dem Entschluss, dass ich doch einfach zu schnell war. Er schickte mich aufs Feld und ließ mich wie gestört auf und ab laufen. Auch diesen Test bestand ich und der nächste Neue fand seinen Weg zwischen die Pfosten. Wenn heute Not am Mann ist, bin ich der Erste, der sich in den Kasten stellt und sich mutig den Bällen entgegenwirft, auch wenn ich es rein körpergrößentechnisch bei weitem nicht unter die Latte schaffe.

© Weudl 2021-02-12

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