Haste was, pisste was!

Dirgis

von Dirgis

Story

FĂĽr mich steht eines fest: Es gibt sehr gute Literaten, die ihre Werke nicht in BĂĽchern verewigen.

Seit jeher gibt es Schriftsteller, die ihr Talent für Klamauk, Humor, Ironie oder auch Sarkasmus geschickt und amüsant an Wänden von WC´s verewigen.

Heutzutage kommt es seltener vor. Zu meiner Jugendzeit jedoch waren die Wände in öffentlichen Toiletten, in den Klos der Kneipen, Schulen oder besonders in Bahnhöfen bevorzugtes Aktionsfeld von Autoren, die für immer unbekannt bleiben.

Wir waren Teenager, idealerweise eine Gruppe aus Mädchen und Jungs (damit alle WC-Anlagen, also die Damen- und die Herrentoiletten aufgesucht werden konnten). Denn wir fanden KlosprĂĽche so cool, dass wir sie bewusst gesucht, gesammelt und aufgeschrieben haben. Der Name des Fundortes wurde ebenfalls vermerkt. Manchmal haben wir in Bahnhöfen oder Kneipen die Klos aufgesucht, obwohl wir eigentlich gar nicht auf die Toilette mussten. Nur um die Wände auf gute SprĂĽche abzusuchen. Meistens wurden wir fĂĽndig. “Haste was, pisste was!” (lg an Berlin) war unser Favorit! Oder der Spruch “Österreichs Zukunft liegt in deiner Hand!”, angebracht ĂĽber einem Pissoir. Als Pubertierende waren diese Wandliteraten ein Vorbild. Wir wollten doch auch kleine Revoluzzer sein. Wir sahen dieses Beschmieren von Wänden nicht als Sachbeschädigung. Diese Wandgraffiti waren einfach schräg und cool. Und die Verfasser bewunderten wir dafĂĽr, dass sie frech ĂĽber Tabuthemen geschrieben haben. Wir wollten immer mehr neue KlosprĂĽche finden. Wenn jemand aus unserer Clique in den Urlaub fuhr, ermahnten wir ihn oder sie, Nachschub zu suchen. Unser Befehl lautete: “Schau im Flughafen-WC nach oder besuche die öffentlichen Toiletten der Stadt.” Ein Kumpel las auf einer WC-Wand in London: “Erections are a national sport!“ Eine erwähnenswerte Feststellung. Genauso wie bei den SprĂĽchen (gefunden im MĂĽnchner Bahnhofsklo): “Auch die Sittenpolizei regelt nur den Verkehr!” oder “Auch an diesem edlen Ort gibt es Dilettanten. Die einen treffen gleich ins Loch, die andren nur die Kanten.” Wie bereits erwähnt, sind die aufgezählten Beispiele schon vor vielen Jahren gesammelt worden. Daher der Spruch (an wahrscheinlich nicht mehr existierenden NĂĽrnberger Toilettenwänden): “Klofrauen, organisiert euch in der IG Druck und Papier!”

Ich habe unseren Sprüchekatalog endlich mal wieder aus den Untiefen des heimischen Dachbodens geholt. Das Notierte lässt sich nur teilweise zitieren, da viele Klosprüche echt ordinär sind. Verzeiht, wir waren jung! Wenn ich ihn nun durchforste, amüsiert mich jedoch noch immer die Aussage, die damals auf einem Heißluftapparat zum Händetrocknen stand: “Bitte Knopf drücken. Sie hören eine Erklärung des Regierungssprechers!”

Die beste Befürwortung für Klosprüche hat ein weiterer anonymer Verfasser an die Wand gepinselt: “Wer auf Klowände schreibt, erwartet dafür weder Geld noch Applaus. Also praktiziert er Kunst in ihrer reinsten Form!”

© Dirgis 2022-12-30

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