Heimweh?

Avalanche

von Avalanche

Story

Der Himmel war schwarz, vereinzelt fielen Regentropfen auf den warmen Asphalt. Es war eines dieser Sommergewitter, Edith trat aus dem Schulbus heraus, die schwüle Luft umschloss sie. Sie war ein einfaches Mädchen mit einer reichen Familie, auch wenn ihr Zuhause von außen als fragwürdig wahrgenommen wurde. In ihren kleinen Händen hielt sie den einen Brief, welchen sie überbringen sollte.

Langsam und mit gesengtem Kopf ging sie zögerlich auf die riesigen Eisenstäbe ihres Anwesens zu. Ein verrostetes Tor mit einem Schild prägte den Eingang. „Pandemonium Asylum“, das angelaufene Metall verströmte eine gewisse Energie, es ließ Edith mit Wärme erfüllen.

Mit ihrem gesamten Gewicht stemmte sie sich gegen den Schutzpatron des Anwesens und ein ohrenbetäubendes Quietschen hämmerte in ihrem Trommelfell. Geschmeidig wandte Edith sich durch die kleine Öffnung, bevor das Tor mit einem Knall wieder zu donnerte. Mit nunmehr erhobenem Haupt begann die ungewollte Erbin des Anwesens den langen Trampelpfad zu ihrem Anwesen hinauf zuwandern. Die dunklen Wolken zogen sich stärker zu, doch kein Tropfen Wasser ließ sich auf das verlorene Stück Land nieder.

Edith begann Druck auf der Brust zu spüren, ein beklemmendes Gefühl, mit welchem sie sich nur allzu sehr angefreundet hat. Plötzlich ertönte der Ruf einer Krähe aus unmittelbarer Nähe. Zu ihrer linken sah sie das Exemplar. Es fokussierte sie, starrte Edith direkt in die Seele. Schwarze geschmeidige Federn erhoben sich in die Luft, mit einem letzten verzweifeltem Schrei der Warnung hob der Vogel ab, in seiner Mission, Edith zu retten, versagt.

Ediths Kopf erhob sich, vor ihr das Abbild ihres Zuhauses, ein riesiger Betonkomplex. Ranken von Efeu umarmten die kalten Wände, zertrümmerte Fenster wie die gebrochenen Seelen im Inneren. Einige Graffitis von minderer Bedeutung, irrelevante Mahnmale dummer Jugendlicher.

Vor ihr türmten zweierlei Türen, monumentale Eichenholzkonstrukte, der Eingang zum Ende. Ein letzter Blick ihrer streifte das Gebäude. Ihr Herz erfror für einen Moment, etwas beobachtete sie. Ein altes Individuum, Falten tiefer als der tiefste Punkt in deinem Leben, Augen schwärzer als der Nachthimmel bei schönem Wetter.

Sie durchbohrte Edith, mit ihrem zerschlissenen Stoffkleid, ausgebleicht vom exzessiven Tragen rastete der Blick auf dem Kind. Ein kalter Schauer rannte ihr den Rücken hinunter und einzelne Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Hatte sie etwas falsch gemacht? Hatte sie etwas vergessen? Ist sie zu spät?

Zögerlich drehte sie ihren Kopf zur Tür, einen riesigen, eisernen Schlüssel in der Hand. Mit filigraner Eleganz schlitterte das von Rost überzogene Objekt in die dafür vorgesehene Öffnung, ein einzelnes Knacken störte den Frieden des umliegenden Waldes. Vereinzelt flogen Vögel erschrocken den Himmel empor.

Sie wussten, was vor ihr lag.

© Avalanche 2023-08-31

Genres
Spannung & Horror