von Fay Linda Jussel
Alles was im Rausch noch so intensiv gewirkt hat, ist jetzt leer. Alles was farbig und bunt war, ist jetzt schwarz weiĂ. Die Stimmen waren laut, die Musik war laut, heute ist alles still und leise. Gestern war ich glĂŒcklich, heute bin ich nichts. Gestern waren wir zusammen, heute bin ich allein. Nichts ist mehr so wie es war und nichts wird jemals wieder so werden. Das Blut raste durch meine Adern, heute schwappt es nur so herum. Gestern hat mich jede BerĂŒhrung elektrisiert, heute ist alles taub. Die Neuronen im Gehirn sind gestern explodiert, heute sind sie ruhig. Sie pulsieren nur, weil es nötig ist. Alles ist nur in so einem Betriebsnotstandsprogramm. Ich sehne mich nach dem GefĂŒhl. Ich sehne mich nach der Ekstase von gestern.
Ich spĂŒre noch deine HĂ€nde auf meinem RĂŒcken, wie sie langsam hinunter wandern. Sie gleiten. Alles prickelt hinterher, als wĂŒrden sie eine Spur aktivierter Freude hinterlassen. Als wĂ€ren alle Zellen, die du berĂŒhrt hast in einem Ausnahmezustand. Ich spĂŒre wie meine Brustwarzen steif werden und gegen das T-shirt reiben. Es ist unangenehm und ich wĂŒnschte, du wĂŒrdest sie berĂŒhren.
Wenn ich die Augen zu mache, sehe ich all die Bilder. Ich höre wieder die Musik, ich spĂŒre deine HĂ€nde. Ich spĂŒre die Freude und meine Mundwinkel bilden ein LĂ€cheln, ohne, dass ich es merke. Aber dann mach ich die Augen auf und ich bin wieder alleine und alles ist dumpf und leer. Du bist nicht mehr neben mir. Ich schlieĂe meine Augen wieder. Ich will wieder zurĂŒck, ich will nicht hier sein. Deine HĂ€nde gleiten nochmal meinen RĂŒcken hinunter, ich finde einen Weg unter dein T-shirt. Ich streife ĂŒber deine Brusthaare. WĂ€hrend wir rumschmusen existiert nichts anderes. Ich höre die Musik und ich weiĂ wir sind nicht alleine, aber in dem Moment ist mir das alles egal. Ich will mehr. Als ich deinen GĂŒrtel erreiche und ihn öffnen will, merke ich wie du zusammenzuckst. Ich merke wie dein Körper sich dagegen wehrt. Ich mache die Augen wieder auf. Scham. Hier hĂ€tte ich aufhören mĂŒssen.
Die Augen sind wieder geschlossen, die HĂ€nde gleiten wieder meinen RĂŒcken hinunter. Hier war alles noch in Ordnung. Hier war alles noch gut. Ich wiederhole die Diashow vor meinem inneren Auge. Denn was dann passiert ist, weiĂ ich nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr erinnern, nur noch lose Erinnerungsfetzen zieren meine GedĂ€chtnisbibliothek. Erinnerungen, die keinen Sinn ergeben. Ein Security, der mich rauswirft, ein MistkĂŒbel, gegen den ich fliege. Ein Mann, vor dem ich mich auf der StraĂe verstecke. Ich kann kaum gehen, ich falle nur in Richtungen. Ich bin auf einer Parkbank im Prater auf der Hauptallee aufgewacht. Irgendwer hat mich geweckt, mit einem Stock, wollte wissen, ob ich noch lebe.
Und jetzt bin ich zu Hause und verdrÀnge was passiert ist. Ich traue mich nicht die anderen anzurufen und zu fragen was passiert ist. Ich möchte es gar nicht wissen. Vielleicht hatte ich Sex auf der TanzflÀche, vielleicht habe ich diesen jungen Mann sexuell missbraucht. Ich weià es nicht.
© Fay Linda Jussel 2021-02-14