von Sabine Schlager
Entschuldigung, ich kann grade nicht rangehen, ich bin nämlich tot.
Nervtötend dieses impertinente Summen und Vibrieren des Smartphones. Es bimmelt, als ginge es um sein Leben! Will denn nicht endlich mal jemand rangehen? Ich kann grade nicht, ich bin nämlich tot. Schön blöd! Das muss ausgerechnet mir passieren, wo ich doch heute so viele Termine habe! Wer wird sie für mich absagen? Wer sie in meinem Namen wahrnehmen? Mann, ich habe echte Probleme! Vor ein paar Minuten erst gestorben und schon fängt das Chaos an. Wen könnte ich beauftragen, meine Aufgaben zu übernehmen?
Da, schon wieder dieses nervige Läuten! Also wirklich! Ich würde ja abheben. Stattdessen liege ich so herum. In einer verdammt ungemütlichen Lage. Zu keiner Zeit hätte ich mich auf diese Weise ins Bett gelegt. Außer ich hätte mir das Rückgrat brechen und sonst was verrenken wollen. Mein gesamtes Gewicht lastet auf dem Arm. Ich kann ihn nicht mal heben, um an das Handy ran zu kommen. No way. Wer hat mich nur so bescheuert hier liegen lassen? Mit dem Gesicht im Dreck! Was ist das eigentlich? Ei ja, Laub und Erde. Sehe ich etwa schon die Radieschen von unten? Das ist jetzt aber, nicht wahr? Verdammt, ich sollte mich umdrehen. Wenn mich jemand so findet, muss er oder sie sich ja Gott weiß was denken. Wie bin ich nur in diese missliche Lage geraten? Denk nach Robert! Streng deine grauen Zellen an! Nachdenken… Wie ging das nochmal? Äh, Blackout.
Wer hat mich angerufen? Sollte auf das Display schauen! Also Robert, mach gefälligst die Augen auf! Wenigstens eines. Geht nicht, sauber! Augen im A….! Was man alles nicht kann, wenn man tot ist? Ich sollte zu Dr. Meinrad in die Bühlow-Straße gehen. Ein toller Seelenklempner. Glaube, der könnte mich wieder hinkriegen. Da fällt mir ein, Nadine wollte mich heute wegen der Abfindung sprechen. Kann sie sich abschminken. Haha, daraus wird erstmal nichts. Und Martin wollte mit mir über die Geschäftserweiterung sprechen, natürlich in seinem Büro. Muss beiden irgendwie klarmachen, dass ich unmöglich vorbeikommen kann. Mir ist etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Eh bloß eine nebensächliche Kleinigkeit.
Ah, da kommt jemand des Weges. Könnte meine treue Haushälterin, Frau Balthasar sein? Warum um Himmels willen schreit die bloß so? Grauenhaft diese schrille Stimme. Schlimmer als mein Handy-Klingelton. Und schon läuft sie schreckensbleich wieder weg. Was macht die gute Frau? Will sie mir nicht auf die Beine helfen? Braucht sie dafür Unterstützung? Bin ich zu schwer, zu behäbig?
Es wird heute hoffentlich nicht regnen? Ich werde nämlich ungern nass. Boa, ein grausiger Käfer krabbelt über meine Wange hinweg und ich kann ihn nicht wegfegen. Doofes Viehzeug. Wo kommen all die vielen Menschen her und was wollen sie von mir? Ich kenne sie nicht und wüsste nicht, mit ihnen verabredet gewesen zu sein. Man fotografiert mich! Für Instagram? Welche Schmach! Wo ich doch so unvorteilhaft aussehe! Dieses Gezerre an meinem Körper macht die Situation auch nicht besser. Ich lasse mich doch nicht von jedem begrapschen, ungefragt und unfreiwillig. Als Toter ist man ganz schön wehrlos. Verdammter Mist!
© Sabine Schlager 2025-04-04