von Chiara Schindler
Es war ein ziemlich schöner Frühlingsmorgen, daran kann ich mich gut erinnern. Es ist der Tag, an dem ich beinahe gestorben wäre. Einer der Tage.
Es war 2014. Ich somit fast 9 Jahre alt. Die Sonne schien in mein Zimmer, ich lag in meinem blauen Hochbett. Geschlafen hatte ich nicht wirklich. Ich hievte mich die Treppe meines Bettes nach unten, dann blieb ich kurz stehen.
Langsam stieg ich über meinen Playmobil Reiterhof, bedacht, nicht auf irgendwelche Kleinteile zu treten. Dann starrte ich aus dem Fenster, starrte den großen Baum an, der genau dort stand, seit ich denken konnte. Ich stand da in meiner pink karierten Schlafanzughose. Starrte vor mich hin.
Das hier hatte ich eine Ewigkeit geplant. Ich hatte alles genaustens geplant. Mit bereits 6 oder 7 Jahren waren die ersten Ideen da. Mit 8 hatte ich dann alle Abschiedsbriefe geschrieben. Alle waren sicher in einer Schublade verstaut. Dann hatten meine Pläne nur noch den gewissen Feinschliff gebraucht. Na ja, und dann stand ich da. Eigentlich bereit.
Wie in Trance nahm ich meine pinke Bastelschere in meine rechte Hand. Brauchte diese um mein Fliegengitter welches mein Opa vor mein Fenster gespannt hatte, zu durchtrennen. Ich stellte mich auf Zehenspitzen um über meinen Schreibtisch um durchs Fenster nach unten sehen zu können.
So hoch war nicht, aber wenn ich falsch aufkommen würde, dann- …
Wie durch Watte hörte ich Schritte unten. Die Schritte meiner Mutter. Meine Finger verkrampften sich ein bisschen mehr um die Schere. ,,Ich geh schonmal zu Oma!“ ließ meine Mutter mich wissen. Das riss mich aus meiner Trance. Ließ mich aufschrecken.
Ich riss meine Augen auf. Dann realisierte ich, was ich gerade ernsthaft tun wollte. Ich wollte mir wirklich mein Leben nehmen. Meine Schere fiel zu Boden, meine Beine fingen an zu zittern, gaben nach. Mit beiden Knien schlug ich auf dem, nicht mehr ganz so weichen, Teppichboden auf.
Tränen liefen aus meinen braunen Augen, Schluchzer wollten meiner Kehle entweichen. Schnell stopfte ich mir meine Hand in den Mund, nur für den Fall, dass Mama noch im Flur unten verweilte.
Angestrengt versuchte ich mich zu beruhigen, wischte mir übers Gesicht. Lief nach unten, zog mich um und ging ebenfalls zu Oma und Opa. Niemand hatte an diesem Tag gemerkt, dass ich mir mein Leben nehmen wollte, aber so ist das eben.
© Chiara Schindler 2024-10-28