Mein Pachtgarten ist ein Prachtgarten und mein groĂes Hobby.
Beim Eingang steht ein riesiger Kastanienbaum, der nie zurĂŒckgeschnitten wurde, er trĂ€gt seine ausladenden Ăste mit groĂer WĂŒrde. LĂ€ngsseitig steht ein Kirschbaum, auf der anderen Seite steht eine Reihe Ribiselstauden. Der Garten liegt abgelegen auf einer Anhöhe und ist von Wald und Wiesen umgeben. Es ist ein Naturgarten und ich setzealles daran, dass dieses Paradies erhalten bleibt. Deshalb wird mit Hand gemĂ€ht, ich tue mir nicht schwer die Sense ĂŒbers Gras zu fĂŒhren. In aller FrĂŒh habe ich mich auf den Weg gemacht, taunasses Gras mĂ€ht sich leichter.
Halt, was ist denn da? Liegt ein Igel mit ausgestreckten Beinchen im Gras und rĂŒhrt sich nicht! âAhaâ, denke ich: âIgelstarre.â Ich fange am anderen Ende zu mĂ€hen an und als ich wieder in Sichtweite des Igels bin, ist er verschwunden. Die Sonne hat ihn erwĂ€rmt, er konnte flĂŒchten.
Ein anderes Mal komme ich zumJĂ€ten in den Garten. âOh! Hoppla hast du mich erschreckt!“ Unter den Ribisel liegt eine ausgewachsene armdicke Schlange, ich sehe keinen Kopf und keinen Schwanz, nur einen langen S-förmigen Körper. „Ich tu dir nichts und du tust mir auch nichts! Abgemacht?â Hat bestens funktioniert, keine besonderen Vorkommnisse!
Manchmal besucht mich ein kleiner Hund. Er schaut mich treuherzig an und will gekrault und getÀtscheltwerden. Wenn er aber eine Maus wittert, ist er nicht zu bremsen. Er steckt seine Nase in die Erde und fÀhrt mit seinen Grabarbeiten dem unterirdischen Gang nach, egal was da wÀchst. So wurden schon etliche Salatpflanzen, Erdbeerstauden und Krautsetzlinge seiner Jagdlust geopfert, sie sind regelrecht durch den Garten geflogen. Ich kann dem schwarzen Knopfaugencharmeurnicht böse sein, Pech gehabt ihr Pflanzen!
Unten im Tal ist ein Erholungsheim der Stadt Wien und die Kinder, die auf Landschulwochen sind, kommen regelmĂ€Ăig die Anhöhe herauf. Die Kleinen marschieren in Zweierreihen, manche geben sich die Hand, hier ist es wirklich unheimlich fĂŒr sie. Nichts Vertrautes, kein AutolĂ€rm, keine U-Bahn, keine HĂ€user. Nur Stille umrahmt von Kuckucksruf und Vogelgezwitscher.
Das Kind vorne flĂŒstert dem nĂ€chsten zu: âEine Hexe!â Wie ein Lauffeuer verbreitet sich“Schau, eine Hexe!â die Reihe entlang. Wie soll ich mich verhalten? FĂŒrchten sich die Kinder vor mir? Soll ich zum Zaun laufen und rufen: âNein, nein!â
Ich bin eine junge Frau von knapp 30 Jahren und werde fĂŒr eine Hexe gehalten? Ich habe keinen Buckel und keine Warze im Gesicht. Ich bin eine lebenslustige, gut gebaute Frau.Manchmal bekomme ich sogar Komplimente, dass ich ein hĂŒbsches Weibsbild bin. Und jetzt halten mich die Kinder fĂŒr eine Hexe! Kinder und Narren sagen die Wahrheit, heiĂt es nicht so?
Als das HexengeflĂŒstert bei der Begleitperson ankommt, meint die Dame: âAber Kinder! Nein, das ist die BĂ€uerin, die hier arbeitet.â
Mein Lachen erleichtert mich unheimlich,ich kann nicht aufhören damit, weil ich auch keine BÀuerin bin!
© Christine Tippelreiter 2021-04-18