Indische Palmblattbibliothek

Sylvia Eugenie Huber

von Sylvia Eugenie Huber

Story

Als ich mit 19 Jahren zum ersten Mal bei einer Kartenlegerin war, hörte ich, dass es in Indien sogenannte Palmblatt-Bibliotheken gäbe, in denen für jeden, der sie aufsuchte, einer Prophezeiung bereit läge.

Die auf den Palmblättern in Sanskrit eingeritzten Sätze sollen bereits 5000 vor Christus angelegt worden sein und werden, um den Verlust der Informationen durch brüchige Blätter zu verhindern, alle 500 Jahre neu geschrieben.

Ein Nadi-Reader, welcher die Lesung vornimmt, kann anhand ihrer sowohl Aussagen zur Vergangenheit als auch Zukunft der verschiedenen Lebensbereiche tätigen.

Im Februar 2017, 23 Jahre später, wollte das Schicksal wohl, dass ich mich auf die Reise begebe und so buchte ich eine Hardcore-Intensivreise für stramme 5 Tage. Dies bedeutete eine 2-stündige Autofahrt nach Wien zum Flughafen, dann mit dem Flieger nach Abu Dhabi und von dort weiter nach Mumbai, wo ich 5 Stunden Aufenthalt bis zum Weiterflug nach Chennai hatte. Der Fahrer, welcher mich abholen sollte, war nicht zu entdecken und als ich den Reiseleiter anrief, war mein Handyakku so gut wie leer. Daher entschied ich ein Taxi zu nehmen und es folgte die furchtbarste Taxifahrt meines Lebens, die für nur wenige Kilometer ebenfalls 1 Stunde Zeit in Anspruch nahm. Die Straßen in Indien sind von schlechter Qualität und voller Schlaglöcher, es befinden sich so viele Autos nebeneinander, dass permanent gehupt wird, um einen Zusammenstoß zu verhindern und nicht zu vergessen der Gestank durch die ganzen Abgase.

30 Stunden seit Abfahrt von daheim waren vergangen, bis ich endlich das Hotel erreichte und trotz herrlichen Wetters einmal fĂĽr ein paar Stunden Schlaf nachholen musste.

Am nächsten Tag konnte ich den Strand und das Meer genießen als auch eine Fahrt ins nahegelegene Mamallapuram machen.

Und dann war es so weit und es ging zur ersten Palmblattbibliothek nach Madras. Doch was ich zu hören bekam, war nichts von dem, dass ich gerne gehört hätte. Als wir zurück ins Hotel kamen, zog ich mich sofort ins Zimmer zurück. Beim Abendessen sprach mich eine Schweizerin aus der Gruppe, der auffiel, dass ich kaum noch lächelte, an und nach einem Gespräch mit ihr, ging es mir wieder besser.

Bei der zweiten Lesung in Chengalpathu wurde mir vieles anderes gesagt, dass sich zumindest für mich sympathischer anhörte.

Tja, was immer einem prophezeit wird, der Umgang damit ist wohl der entscheidende. Wenn wir vor einer Wegegabelung stehen und entscheiden sollen, ob wir rechts oder links gehen, dann haben wir einerseits die Möglichkeit die Richtung auszuwählen und andererseits, wie wir den Weg beschreiten werden. Am fatalsten wäre es wahrscheinlich einfach stehenzubleiben.

Sollten wir uns entscheiden, bewusst einen anderen Weg als vorhergesagt zu gehen, dann war vielleicht womöglich genau diese Aussage notwendig, um sich gezielt gegen jenen Weg zu entscheiden. Denn manchmal braucht man einen kleinen Seitenhieb, um klar zu wissen, was man auf keinen Fall möchte.

© Sylvia Eugenie Huber 2021-01-23

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